Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Wasser trat nahe dem Haus zu Tage und bildete vor seinem Abfluß ein kleines Becken, welches sich sehr gut zur Tränke eignete. Der Fremde war uns langsam gefolgt. Es sollte ihm natürlich kein Wort unseres Gespräches verloren gehen.
    Wir nahmen den Pferden die Gebisse aus den Mäulern und ließen sie trinken. Dabei erkundigte sich der Köhler, welcher seine große Spannung nicht zu verbergen vermochte:
    „Es kommt so selten jemand in diese einsame Gegend, daß ihr es verzeihen werdet, wenn ich gern wissen will, wen ich vor mir habe.“
    „Dein Wunsch ist ganz gerechtfertigt. Wir sind fremd in diesem Land und kommen von Edreneh, um nach Lesch zu reiten, wie ich dir bereits sagte. Und da du weißt, wer wir sind, wirst du es erklärlich finden, daß wir nun auch erfahren wollen, wer der Effendi ist, welcher uns so erstaunt betrachtet.“
    Ich hatte nicht zu viel gesagt, denn es lag noch weit mehr als bloßes Erstaunen in dem Gesicht des Fremden. Sein Blick ging zwischen mir und meinem Rappen hin und her, und zwar mit einem Ausdruck, als ob er uns beide für blaue Wunder halte. Daß wir dem Tod geweihte Männer jetzt so heil und munter vor ihm standen, schien für seinen Verstand ein zu großes, ein nicht zu lösendes Rätsel zu sein, obgleich er vorhin erst noch an dem Gelingen des Überfalles gezweifelt hatte. Er und der Köhler betrachteten uns als Leute, welche ganz unbegreiflicherweise dem sichern Grab entstiegen waren.
    „Ja, das kannst du erfahren“, antwortete Scharka. „Dieser Effendi ist ein Alim (Gelehrter, plur. Ulema) aus Dzsakova, welcher sich, grad so wie ihr, auf der Reise befindet.“
    „Ein Alim! So hat er die Universität besucht, und weil auch ich ein Alim bin, freilich ein Alim meines Heimatlandes, so freue ich mich außerordentlich, ihn kennenzulernen. Er hat das Aussehen eines großen Gelehrten und ich hoffe, mich von ihm belehren lassen zu können. Allah grüße dich!“
    Ich trat zu dem sogenannten Alim und reichte ihm in möglichst freundlicher Weise meine Hand. Er legte verlegen die seinige hinein und antwortete:
    „Ja, ich bin in Stambul gewesen und habe studiert, doch führe ich nicht gern gelehrte Gespräche.“
    „Warum nicht? Der Baum, welcher Früchte trägt, soll dieselben nicht für sich behalten. Sie werden ja erst dadurch nützlich, daß sie genossen werden. Wie der Baum seine Früchte nicht selbst verzehren kann, so sind auch die Früchte deines Studiums nicht für dich, sondern für andere vorhanden, denen sie zum Segen gereichen. Also du kommst aus Dzsakova. Wohin wird dein Weg dich von hier aus führen?“
    „Nach Köprili.“
    „So hättest du über Perserin und Uskub reiten sollen. Das war der beste und kürzeste Weg.“
    „Das weiß ich wohl, aber ich bin eigentlich ein Ehli wasf ül arz (Geologe) und ritt in die Berge, um interessante Steine zu suchen.“
    „So! Ich habe mir das Steinesuchen als eine mühselige und schmutzende Arbeit gedacht. Dein Anblick bekehrt mich zu einer ganz andern Ansicht. Deine Wissenschaft ist eine hochinteressante. Sie läßt uns in Allahs Schöpfungswerkstatt blicken. Sieh dieses Tal mit seinen Trümmern und den gewaltigen granitenen Umfassungsmauern! Welcher Ibtida wakyti (Entstehungsperiode) wird dieses Gestein wohl sein Dasein verdanken?“
    Bei dieser Frage wurde sein Gesicht glühend rot. Er war weder Geologe, noch kam er aus Dzsakova. Auch ich beabsichtigte in diesem Augenblick keineswegs, nach Ibali zu gehen. Wir logen eben beide einander herzhaft an, was moralisch zwar nicht schön zu nennen ist, hier aber auf beiden Seiten recht triftige Gründe hatte.
    Er sann und sann und brachte endlich die Antwort zum Vorschein:
    „Alles Wissen ist nichts vor Allahs Auge. Er hat die Steine gemacht, nicht wir. Darum sollen wir auch nicht darüber nachdenken, wie sie entstanden sind.“
    Sehr richtig! Nur braucht es da eben keine Geologen zu geben. Der Köhler schien das zu begreifen, denn auch er ließ ein breites, verlegenes Lächeln sehen und beeilte sich, meine Aufmerksamkeit von den Kenntnissen des Alim abzulenken, indem er sagte:
    „Ihr seid so fremd im Land und sucht euch doch selbst den Weg! Das ist sehr kühn von euch. Andere würden sich einen Führer nehmen. Warum habt ihr das nicht getan?“
    Jetzt brachte er das Gespräch dahin, wo er es haben wollte. Er mußte natürlich erfahren, wie es gekommen war, daß wir zunächst überhaupt und dann auch ohne den Konakdschy bei ihm angelangt waren.
    „Eure Führer sind nicht

Weitere Kostenlose Bücher