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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vermutete, daß der heimliche Eingang zur Höhle in irgendeiner Beziehung zu dem Meiler stehe, neben welchem ich mich befand, so hielt ich es für ratsam, mich schleunigst zu entfernen. Ich kroch also leise bis auf den Pfad zurück und eilte dann zu der Stelle, wo die Gefährten sich in den Büschen versteckt hatten. Dort angekommen, sah ich sogleich, daß Osco fehlte; bevor ich nach ihm fragen konnte, meldete mir Halef:
    „Herr, der Montenegriner ist fort; er wollte aber sehr bald wiederkommen.“
    „Wo ist er hin?“
    „Ich weiß es nicht. Kaum warst du vorhin verschwunden, so sagte er kurz und hastig: ‚Ich muß einmal fort, bin aber in einer halben Stunde wieder da.‘ Und bevor wir ihm antworten konnten oder gar ihn zurückzuhalten vermochten, ritt er von dannen.“
    „Wohin? Nach der Richtung, von welcher wir gekommen sind?“
    „Ja, Sihdi!“
    „So weiß ich, weshalb er zurückgekehrt ist. Er hat, wie ihr ja wißt, eine Rache gegen Barud el Amasat, den Entführer seiner Tochter. Obgleich wir unsern Feind oft so nahe gehabt haben, daß er ihm eine Kugel hätte geben können, hat er es doch nicht getan. Vorhin, als wir auf dem Felsen die Gefangenen festbanden, war ihm Gelegenheit geboten, seine Rache auszuführen. Er hat es abermals unterlassen, weil er wohl fürchtete, daß ich ihn hindern würde, einen Mord zu begehen. Er ritt scheinbar gutwillig mit uns weiter, ist aber dann umgekehrt, um seine heimliche Absicht auszuführen. Ich bin jetzt über eine Viertelstunde fort gewesen. Während dieser Zeit hat er den Teufelsfelsen erreicht, und es ist mir wohl nicht mehr möglich, Barud zu retten. Dennoch will ich es versuchen. Mein Pferd ist schnell. In fünf Minuten bin ich dort. Bleibt hier versteckt, bis ich wiederkomme.“
    Ich stieg in den Sattel und ging zurück. Für Rih genügte das Wörtchen ‚kawahn – schnell!‘ Kaum hatte ich es gesprochen, so flog er wie ein Pfeil dahin. In kaum einer Minute hatte ich die enge Schlucht erreicht. Der Rappe schoß zwischen den engen Felsen dahin wie ein Bolzen im Blasrohr. Noch eine Minute und noch eine – nach nur drei Minuten sah ich die Leiche Manach el Barschas liegen. Eben schnellte der Rappe über dieselbe weg und in die mehrfach erwähnte Krümmung der Schlucht hinein, da ertönte von oben ein so entsetzlicher Schrei, daß nicht nur ich zusammenzuckte, sondern auch das Pferd vor Schreck gegen die Felsenwand prallte und sich mitten im Galopp so empor bäumte, daß es hintenüber geschlagen wäre, wenn ich nicht mein ganzes Gewicht nach vorn geworfen hätte. Ich riß es auf den Hinterhufen herum und schaute empor.
    Was ich da erblickte, machte mir fast das Blut in den Adern erstarren. Ich war soweit über die Krümmung hinaus gekommen, daß oben die Bastei grad vor meinen Augen lag. Ganz an der Kante derselben, genau an der Stelle, von welcher Manach el Barscha herabgestürzt war, sah ich zwei Männer miteinander ringen – Osco und Barud el Amasat. Letzterer war nicht mehr gefesselt, sondern konnte sich seiner Hände und Füße frei bedienen. Sie hielten einander eng umschlungen. Jeder trachtete danach, von der Felsenkante fortzukommen und seinen Gegner über dieselbe hinabzuschleudern.
    Ich rührte mich nicht von der Stelle. Hätte ich mich auch noch so sehr beeilt, ich wäre doch zu spät gekommen. Ehe es mir gelingen konnte, emporzuklettern und dann oben den hundertfünfzig Schritte langen Weg zurückzulegen, mußte der Kampf entschieden sein. Bis dahin lag ganz gewiß einer zerschmettert unten – vielleicht alle beide!
    Das eigenmächtige Handeln Oscos hatte durchaus nicht meine Zustimmung. Es lag nicht in meiner Absicht, Barud el Amasat töten zu lassen; aber Oscos Leben stand mir höher als das seinige. Beide schwebten jetzt in ganz gleicher Gefahr, denn der eine schien so viel Kraft und Gewandtheit zu besitzen, wie der andere. Sollten beide umkommen? Nein! Einer von ihnen war unbedingt verloren, und da sollte wenigstens nicht Osco dieser eine sein. Ich sprang also aus dem Sattel und legte meine Büchse an. Barud el Amasat sollte die Kugel bekommen. Das war freilich ein böser Schuß. Beide hielten sich so eng verschlungen, daß ich diesen Schuß nur wagen konnte, weil ich meine Büchse ganz genau kannte und mich auf mein ruhiges Blut verlassen konnte. Ich zielte lange. Die Kugel mußte Baruds Kopf treffen. Die beiden Ringer sahen, was ich beabsichtigte. Barud gab sich die größte Mühe, mir kein Ziel zu bieten. Osco befürchtete, von mir

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