17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
komm!“
Ich machte einige Schritte; aber Scharka hielt mich zurück:
„Willst du sie denn allein sehen?“
„Ja. Meine Gefährten interessiert das nicht.“
„O, grad sie werden davon auf das höchste entzückt sein!“
Und nun stellte er es mir vor, welch eine Sünde ich begehen würde, wenn ich den anderen nicht erlaubte, die gebotene Pracht zu sehen. Es mußte ihm natürlich daran liegen, daß keiner zurückblieb. Wenn wir nicht alle in die Höhle gingen, war ihr Plan unausführbar.
Auch jetzt tat ich, als ob ich mich überzeugen ließe, und gab den andern die Erlaubnis, mich zu begleiten.
„Aber eure Gewehre könnt ihr nicht mitnehmen“, sagte er.
„Warum nicht?“
„Weil sie euch hinderlich wären. Der Eingang zur Höhle ist nicht bequem. Man muß auf dem Boden kriechen, bevor man hineingelangt.“
„Gut! So lassen wir die Gewehre da. Wir hängen sie an die Sattelknöpfe.“
„Auch die Messer und Pistolen!“
„Das ist doch nicht nötig.“
„Sogar sehr. Wie leicht geht eine Pistole los, und wie leicht verletzt man sich an einem Messer, wenn man auf dem Bauch kriecht und dabei diese Waffen im Gürtel hat!“
„Du hast recht. Legen wir also alle unsere Waffen zu unsern Pferden!“
Meine Gefährten sahen mich erstaunt an, aber sie folgten doch meinem Beispiel. Der Köhler warf dem ‚Gelehrten‘ einen triumphierenden Blick zu.
„Jetzt kommt!“ forderte er uns auf. „Ich will euch den Eingang zeigen.“
Er schritt grad auf den Meiler zu, und wir folgten ihm. Ich hatte also vorhin recht gehabt, als ich mir den Meiler in Verbindung mit dem Eingang dachte. Bei demselben angekommen, wendete er sich zu uns:
„Hier wird kein Mensch die Tür zu der berühmten Höhle vermuten. Sie ist aber doch da. Paßt einmal auf!“
Der Meiler sah aus wie jeder andere Meiler, ein kegelförmiger Aufbau von Hölzern, ringsum mit einer Erdschicht bedeckt. Scharka bückte sich nieder und entfernte an einer Stelle in der Nähe des Bodens diese Schicht. Es kamen einige Bretterstücke zum Vorschein, welche er auch wegnahm, und nun sahen wir eine Öffnung von der Größe, daß ein starker Mann hindurchkriechen konnte.
„Das ist der Eingang“, sagte er. „Kriechen wir nun hinein!“
Er trat zurück und gab mir einen Wink, daß ich zuerst hineinkriechen sollte.
„Du bist der Führer“, sagte ich. „Krieche voran.“
„Nein“, wehrte er ab. „Der Vornehmste geht voran.“
„Der bin ich nicht. Der Vornehmste ist dieser gelehrte Alim, welcher die Wasf ül arz studiert hat. Ihm gebührt also die Ehre.“
„Nein, nein!“ rief der gute Mann erschrocken. „Du bist viel gelehrter als ich; das habe ich bereits gehört. Überdies seid ihr hier fremd, und es ist die Pflicht der Höflichkeit, Fremden stets den Vortritt zu lassen.“
„Nun, so wollen wir einmal probieren.“
Ich bückte mich nieder und blickte hinein. Man konnte nicht weit hineinsehen, aber es genügte doch, um mich zu orientieren. Ich stand wieder auf, schüttelte den Kopf und sagte:
„Es ist ganz und gar finster darin!“
„O, wenn wir drinnen sind, werde ich sogleich Licht machen“, antwortete der Köhler.
„Das glaube ich gern. Was wirst du denn anzünden?“
„Kienspäne.“
„Befinden sich solche in der Höhle?“
„Ja.“
Ich war überzeugt, daß er eine Lüge sagte. In einer Höhle, in welcher Gefangene festgehalten werden, bewahrt man kein Material auf, mit welchem diese unter Umständen imstande wären, sich Licht zu machen.
„Das ist gar nicht nötig“, sagte ich. „Es ist ja hier im Meiler Kien genug vorhanden, um Feuer zu machen. Hast du Feuerzeug bei dir?“
„Ja; Tschakmak, Süngür und Kükürd (Feuerstahl, Schwamm und Schwefel), alles, was ich brauche, um die Späne anzuzünden.“
„Gibt es denn keine Kibritlar (Zündhölzer)? Die sind doch viel bequemer!“
„Die sind hier so schwer zu bekommen, daß ich sie niemals kaufe.“
„So! Und doch hast du solche!“
„Nein, Herr, ich habe keine.“
„Sonderbar! Wer muß sie da hineingesteckt haben?“
Ich bückte mich nieder und brachte mehrere Zündhölzer zum Vorschein, welche ich vorher im Innern des Loches zwischen dem Holz hatte stecken sehen.
„Das – das – sind wirklich Kibritlar!“ rief er, sich erstaunt stellend. „Sollte einer meiner Knechte solche besitzen und sie hereingesteckt haben?“
„Du hast Knechte?“
„Ja, vier. Da ich die Kohlen nicht in dem Wald, sondern nur hier auf diesem Platz brenne, brauche ich diese
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