17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
bezahlen wird.“
„Er wird bald anders sprechen. Hinein also mit euch! In einer Viertelstunde komme ich nach.“
Es wurde jedem der beiden ein Strick unter den Armen hindurchgesteckt, an welchem zwei in die Höhle vorankriechende Köhlerknechte sie hineinzogen. Als diese wieder herauskamen, hörte ich im Innern des Meilers eine Kette klirren und schloß daraus, daß der Stein vor dem Eingang befestigt worden war.
„Hätten wir den Lord nicht gleich jetzt heraushauen können?“ fragte mich Halef leise.
„Nein, wir haben unsere Gewehre zurückgelassen.“
„Was tut das? Wir tragen unsere Messer und Pistolen bei uns, und du hast die Revolver. Das ist genug.“
„Selbst wenn es gelungen wäre, die Wichte zu vertreiben, woran ich gar nicht zweifle, würden sie dann über uns hergefallen sein, während wir die Fesseln der Gefangenen lösten. Nein, wir müssen vorsichtiger verfahren. Komm jetzt zur Eiche!“
Wir machten uns auf den Weg, wobei wir uns freilich mehr auf das Gedächtnis und den Tastsinn als auf unser Gesicht verlassen mußten, denn es war hier unter den Bäumen so finster, daß wir nicht die Hand vor den Augen sahen. Dennoch erreichten wir den Baum schon nach zehn Minuten.
Auch hier oben herrschte eine wahrhaft ägyptische Finsternis. Wir wußten aber gut Bescheid und stiegen in derselben Weise hinauf und hinein, wie wir es gestern gemacht hatten.
Nun galt es, jedes Geräusch zu vermeiden, da der Alim sich bereits in der Höhle befinden konnte. Ich riet Halef, nicht mit den Füßen von Schlinge zu Schlinge zu steigen, sondern sich, wie ich es tat, mit den Händen an der Leiter wie an einem Strick hinabzulassen. Ich glitt voran, und er folgte mir.
Als wir unten in der Ecke hinter der Mauer anlangten, war alles finster; doch kaum hatten wir den Boden unter den Füßen, so wurde es hell. Als ich einige Stufen der Leiter wieder emporgestiegen war und nun über die Kante der Mauer in die Höhle blicken konnte, sah ich den Alim, welcher hereingekrochen war und nun vor den beiden gefesselt am Boden Liegenden stand. In der einen Hand hielt er eine Talgkerze, in der andern die Peitsche. Messer und Pistole hatte er abgelegt, wohl weil er gedacht hatte, daß sie ihm beim Kriechen hinderlich seien.
Das folgende Gespräch wurde nun in der Weise geführt, daß die türkischen Fragen dem Engländer durch den Dolmetscher in englischer Sprache, die englischen Antworten des ersteren aber dem Alim auf türkisch übermittelt wurden.
Der ‚Gelehrte‘ band zunächst den Strick von den Füßen des Dragoman los und sagte:
„Ich will dir die Fesseln halb lösen, damit du dich aufrichten kannst. Die Hände freilich werden gebunden bleiben. Jetzt frage ihn, ob er das Geld bezahlen will.“
Der Dolmetscher sprach die Frage aus.
„Nein, nie!“ antwortete der Lord.
„Du wirst es doch tun, denn wir zwingen dich!“
„Sir David Lindsay läßt sich von keinem Menschen zwingen!“
„Wenn nicht von einem Menschen, so doch durch die Peitsche, welche wir sehr kräftig handhaben.“
„Wage es!“
„O, das ist gar kein Wagnis!“
Er versetzte dem Lord einen Hieb. Halef stieß mich an – er wollte, daß ich sofort eingreifen sollte. Aber ich ließ mich zu keiner voreiligen Handlung hinreißen.
„Bube!“ rief der Lord. „Das sollst du mir entgelten.“
„Was sagte er?“ fragte Alim.
„Daß ihn Schläge nicht zwingen werden“, antwortete der Dragoman.
„O, er wird anders pfeifen, wenn er fünfzig oder hundert bekommen hat. Wir wissen, daß er Millionen besitzt. Er hat es ja selbst gesagt. Er soll und muß zahlen. Sage ihm das!“
Es nützt nichts, die Drohungen zu wiederholen, welche Lindsay bewegen sollten, seine Einwilligung zu geben. Er blieb bei seiner Weigerung, obgleich er noch einige Hiebe erhielt.
„Nun gut!“ rief der Alim. „Ich gebe dir eine Stunde Zeit. Kehre ich dann zurück, so bekommst du hundert Peitschenhiebe auf den Rücken, falls du noch nicht zum Gehorsam geneigt bist.“
„Wage es!“ drohte der Lord. „Du würdest die Hiebe dreifach wiederbekommen!“
„Von wem denn?“ lachte der andere.
„Von dem Effendi, von welchem wir unterwegs gesprochen haben.“
„Dieser Fremde wird nie etwas von dir erfahren, obgleich du ihm entgegengeritten bist.“
„Er wird mich sicher finden!“
„Da müßte er allwissend sein. Er weiß ja nicht einmal, daß du ihn suchst.“
„Er wird in Rugova erfahren, daß ich dagewesen bin und mich nach ihm erkundigt habe. Wenn er erfährt,
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