17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
kein Wort gesprochen. Erst als die Erwarteten nahe sein mußten, fragte Sir David:
„Was soll nun mit den Schuften geschehen, Master? Eure bekannte Milde läßt mich erwarten, daß Ihr beabsichtigt, sie straflos ausgehen zu lassen.“
„O nein! Ich habe Nachsicht bisher genug geübt. Der Streich, welchen sie Euch gespielt haben, muß bestraft werden. Sie wollten nicht nur Euer Geld, sondern auch Euer Leben.“
„Well! Was werdet Ihr also tun?“
„Zunächst müssen wir uns ihrer Personen bemächtigen; das weitere wird sich dann finden. Wir sind unser sechs und haben es mit zwölf Männern zu tun; also kommen zwei von ihnen auf einen von uns, ein Verhältnis, welches ich unter den gegenwärtigen Umständen nicht für ungünstig halte.“
„Ich auch nicht, falls ich eine Waffe hätte.“
„Ihr werdet ein Gewehr bekommen, vielleicht auch mehrere. Der Köhler und seine Leute haben, wie ich sehe, ihre Gewehre nicht bei sich; also werden sich dieselben in der Stube befinden, aus welcher wir sie leicht holen können.“
Wir standen nämlich so, daß wir die ganze Gesellschaft überblicken konnten. Auch die vier Neuangekommenen hatten ihre Flinten nicht bei sich, sondern, wie bereits erwähnt, an die Mauer des Hauses gelehnt. Diese Gewehre hatten wir also nicht zu fürchten, sondern höchstens nur die alten, unzuverlässigen Pistolen, welche drei von ihnen im Gürtel führten. Der Alim hatte Messer und Pistolen noch nicht wieder an sich genommen.
Jetzt kam Halef mit den beiden Gefährten. Ich beauftragte ihn, durch das Fenster in das Haus zu steigen und uns die Gewehre herauszulangen, welche er hatte hängen sehen. Zu diesem Zweck schlichen wir uns nach der dem Feuer abgekehrten Giebelseite. Die Fensteröffnung war groß genug, den Hadschi einzulassen. Es waren sieben scharf geladene Flinten, welche er herausgab.
„Herr“, meinte er beim Heraussteigen, „dieser Köhler muß wirklich eine Gewehrniederlage haben. Er hat schon gestern den Aladschy zwei Flinten geben müssen, und das hier sind sieben, für ihn, seine vier Knechte, Suef und den Konakdschy, deren Flinten wir zerbrochen haben. Gestern hingen nicht sieben Stück hier. Es scheint, daß dieser Scharka die ganze Bande des Schut zu bewaffnen hat.“
Die Gewehre wurden untersucht. Sie hatten dasselbe Kaliber wie Oscos und Omars Flinten. Das war sehr vorteilhaft für Sir David und den Dolmetscher, welche sich also des Kugelvorrates derselben bedienen konnten. Lindsay hing vier Flinten über und der Dolmetscher drei. Das sah äußerst grimmig aus, war aber nicht sehr gefährlich, da die Gewehre nur einläufig waren.
„Was nun?“ fragte Sir David. „Waffen habe ich, und nun möchte ich auch schießen.“
„Nur wenn es wirklich notwendig wird“, sagte ich ihm. „Wir wollen sie nicht töten.“
„Aber mich wollten sie doch morden! Ich schieße sie nieder und mache mir den Teufel draus. Well!“
„Wollt Ihr ein Mörder werden? Wir geben ihnen die Peitsche. Gestern sah ich Stricke auf dem Wagen liegen, vielleicht sind sie noch dort. Halef, hole sie! Ihr aber, Sir, mögt Euch mit dem Dolmetscher nach rechts hin schleichen. Wir andern gehen links, so daß wir die Gesellschaft zwischen uns bekommen. Ihr tretet nicht eher zwischen den Büschen hervor, als bis Ihr hört, daß ich es wünsche. Und nehmt Euch in acht, daß Ihr jetzt nicht bemerkt werdet.“
Sie entfernten sich. Halef schleppte einen ganzen Haufen Stricke herbei und warf sie zu Boden. Jetzt hätten sie uns doch nur gehindert.
Nun schlüpften wir nach der Hinterseite des Hauses und derselben entlang bis an die Ecke. Dort legten wir uns auf den Boden und schoben uns sachte vorwärts, dem Feuer entgegen. Der Schatten der um die Flamme sitzenden Gestalten fiel auf uns, so daß wir bis hier gar nicht von dem Erdboden zu unterscheiden waren.
Als wir uns zwischen der Gesellschaft und den an der Wand lehnenden Gewehren befanden, war es Zeit.
„Bleibt hier zunächst stehen“, flüsterte ich den dreien zu, „und seht darauf, daß niemand zu den Gewehren kommen kann. Demjenigen, der mir nicht gehorcht, gebt ihr eine Kugel, aber nur in das Knie. Einen solchen Halunken lahmzuschießen, das werden wir wohl auf unser Gewissen nehmen können. Wenn wir nicht gleich ernst auftreten, kann es um uns geschehen sein.“
Wir erhoben uns von der Erde, und ich schritt auf das Feuer zu. Diejenigen, welche mit dem Gesicht nach mir gerichtet saßen, erblickten mich zuerst. Es war der Alim mit seinen drei
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