17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
aufzubrechen, denn die Sonne hatte sich im Westen gesenkt, und bis wir das Versteck erreichten, mußte es vollständig dunkel sein.
Wir gaben uns keine Mühe, unsere Spuren zu verbergen; am Abend waren sie doch nicht zu bemerken. Drüben angelangt, zogen wir die Pferde zwischen die Büsche, und dann machte ich mich mit Halef auf, um die saubere Gesellschaft zu beschleichen. Osco und Omar, welche zurückbleiben mußten, erhielten die Weisung, sich ganz ruhig zu verhalten und den Ort auf keinen Fall vor unserer Rückkehr zu verlassen.
Es war nun vollständig dunkel; aber da wir die Gegend leidlich gut kannten, gelangten wir, ohne eine Störung zu erfahren, in die Nähe des Köhlerhauses. Zwischen diesem und dem bekannten Meiler brannte ein helles Feuer, an welchem alle saßen, welche wir hier zu treffen erwartet hatten.
Uns vorsichtig am Rand der kleinen Lichtung hinschleichend, erreichten wir das jenseitige Gebüsch und krochen durch dasselbe dem schmalen Weg zu, welcher von der Eiche herabkam und bei dem Meiler mündete. Dort setzten wir uns nieder.
Die Männer befanden sich so weit von uns entfernt, daß wir wohl ihre Stimmen vernahmen, aber die Worte nicht verstehen konnten. Allem Anschein nach waren sie nicht in der besten Stimmung. Die Blicke, welche sie fleißig nach der Richtung des Taleinganges warfen, ließen vermuten, daß sie das baldige Erscheinen des Alim und seines Gefangenen erwarteten.
Es war auch wirklich kaum eine Viertelstunde vergangen, seit wir hier saßen, so hörten wir Pferdegetrappel. Die am Feuer Sitzenden sprangen auf. Sechs Reiter kamen. Zwei von ihnen waren auf die Pferde gebunden – der Lord und ein anderer, jedenfalls sein Dolmetscher. Einer der andern vier war der Alim, welcher aus dem Sattel sprang und zu den Wartenden trat. Er wurde mit sichtlicher Genugtuung bewillkommnet. Dann band man die Gefangenen von den Pferden los, hob sie herab und schlang ihnen die Stricke wieder um die Füße; an den Händen waren sie auch gebunden. So wurden sie auf den Boden gelegt. Die Männer der Eskorte lehnten ihre Gewehre an die Mauer des Hauses und setzten sich gleichfalls an das Feuer.
Es war schade, daß wir gar nichts verstehen konnten; denn es wurde jetzt sehr lebhaft gesprochen. Doch dauerte dies nicht lange. Sie standen auf, um die Gefangenen nach dem Meiler zu tragen, dessen Eingang der Köhler in der bereits beschriebenen Weise öffnete.
Jetzt waren sie so nahe, daß wir jedes Wort hörten. Der Alim sagte zu dem gefesselten Dolmetscher:
„Ich sagte dir bereits, daß du gar nichts zu befürchten hast. Wir haben dich mitgenommen, weil wir den Inglis nicht verstehen können. Du sollst sogar ein Bakschisch für die ausgestandene Angst erhalten. Der Inglis muß es auch bezahlen. Er weigerte sich freilich bisher, auf unser Verlangen einzugehen, aber wir werden ihn schon zu zwingen wissen und rechnen dabei auf deine Hilfe. Wenn du ihm rätst, von seiner Halsstarrigkeit zu lassen, so ist es zu deinem eigenen Vorteil, denn je eher er zahlt, desto schneller wirst du frei.“
„Und wird auch er frei werden, sobald er das Geld bezahlt hat?“ fragte der Dolmetscher.
„Das ist nicht deine, sondern unsere Sache. Läßt man etwa jemand frei, daß er sich nachher rächen kann? Das mußt du ihm aber natürlich verschweigen. Ihr werdet jetzt in eine Höhle gesteckt. Sprich mit ihm! In einer Viertelstunde komme ich hinein. Weigert er sich auch dann noch, mir ein Hawale tahwil (Anweisung) auf seinen Saraf (Bankier) zu geben, so erhält er tüchtige Prügel, welche ihn sicherlich eines Besseren belehren werden. Er empfängt weder Essen noch Trinken, bis er gehorcht; dagegen soll er um so reichlicher mit Hieben bewirtet werden.“
„Was sagt dieser Schurke?“ fragte Lindsay in englischer Sprache.
„Daß wir jetzt in eine Höhle gesteckt werden“, antwortete der Dragoman. „Sie sollen weder Essen noch Trinken, sondern nur Prügel erhalten, bis Sie die verlangte Anweisung schreiben. Aber Sie dürfen das nicht tun, denn ich hörte soeben, daß Sie dennoch getötet würden. Natürlich soll ich das Ihnen nicht verraten. Aber Sie haben mich engagiert, und ich halte zu Ihnen, nicht aber zu diesen Schuften. Vielleicht gelingt es uns doch, einen Weg zur Flucht zu finden.“
„Großen Dank!“ antwortete der Engländer in seiner kurzen Weise. „Sollen keinen Para erhalten, diese Schurken. Mögen mich totprügeln! Well!“
„Nun, was hat er dazu gesagt?“ fragte der Alim.
„Daß er nichts
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