17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
möchte auch wissen, wie es ihm gelingen sollte, so gemächlich hereinspaziert zu kommen.“
„Das ist seine Sache. Ich setze meinen Kopf, daß er kommt!“
„Ist schon da!“ rief ich jetzt laut. „Ihr hättet Eure Wette gewonnen, Sir.“
Für kurze Zeit blieb es still; dann aber ertönte die frohlockende Stimme des Engländers:
„All devils! Das war seine Stimme! Ich kenne sie genau. Seid Ihr da, Master Charley?“
„Ja, und Halef ist bei mir.“
„Heigh-day! Sie sind's; sie sind's! Habe ich es nicht gesagt? Der Kerl kommt, bevor wir es nur denken können. O Himmel, welch eine Wonne! Nun sind wir es, welche Prügel austeilen werden. Aber Master, wo steckt Ihr denn?“
„Hier im Winkel. Ich werde sogleich bei Euch sein.“
Halef konnte zurückbleiben; ich aber ließ den untersten Teil der Leiter über die Mauer hinüber und stieg drüben hinab.
„So, da bin ich! Nun reicht Eure Arme und Beine her, Sir, damit ich die Stricke zerschneide. Dann machen wir uns schleunigst aus dem Staub.“
„O nein! Wir bleiben hier.“
„Wozu?“
„Um diesem Schuft seine eigene Peitsche zu geben, wenn er nachher kommt.“
„Das werden wir freilich tun, aber nicht hier. Die Peitsche ist Neben-, die Freiheit aber Hauptsache. Wir wollen nicht allein diesen Alim haben, sondern auch die andern. So, steht auf, Mesch'schurs, und kommt mit dahin zur Wand!“
Ich hatte die Fesseln zerschnitten und schob nun beide gegen die Mauer.
„Was ist denn dort? Eine Tür etwa?“ fragte Sir David.
„Nein, aber ein Felsenloch, welches wie ein Schornstein zur Höhe führt und in einen hohlen Baum mündet. Es hängt eine Strickleiter drin, mit deren Hilfe wir hinaufsteigen werden. Aber ich besorge, daß Ihr Euch nicht auf Eure Hände verlassen könnt.“
„Wenn es sich um die Freiheit handelt, so werden sie ihre Schuldigkeit tun. Well! Ich fühle bereits, daß die Zirkulation des Blutes wieder in ihnen beginnt.“
Beide schlugen die Hände gegeneinander, um sie zu beleben. Ich zog mein Laternenfläschchen heraus, ließ Luft hinein und beleuchtete nun die Leiter und die Mauer so, daß sie sich zu orientieren vermochten. Dabei erklärte ich ihnen die Einrichtung des ganzen Apparates.
„Höre schon, höre schon!“ sagte der Engländer. „Wird prächtig gehen. Ärgere mich nur, daß Ihr mir nicht Zeit laßt, den Schurken hier zu erwarten.“
„Wir treffen ihn draußen.“
„Wirklich? – Gewiß?“
„Ja. Wir steigen zum Meiler hinab, durch den sie Euch in die Höhle gezogen haben. Dort sitzen die Kerle beim Feuer, und wir werden ihnen sehr liebenswürdig Gesellschaft leisten.“
„Very well, very well! Macht nur nun schnell, daß wir zu ihnen kommen! Und nehmt es nicht übel, daß ich jetzt nicht Danke sage; dazu ist es später auch noch Zeit.“
„Natürlich! Steigt voran! Ich folge Euch. Dann mag der Dolmetscher kommen, und Halef macht den Nachtrab.“
„Der? Wo steckt denn dieser wackere Hadschi?“
„Er wartet jenseits der Mauer. Also vorwärts, Sir! Ich halte Euch, falls Eure Hände Euch den Dienst versagen sollten.“
Der Aufstieg begann. Er ging natürlich nicht allzu schnell vor sich, denn es stellte sich heraus, daß die Hände der beiden durch die Fesseln allerdings gelitten hatten. Doch gelangten wir glücklich hinaus.
Als ich ihnen dann auch von dem Baum herab geholfen hatte, was wegen der Finsternis sehr notwendig war, stieg ich wieder in den Baum und zog die Strickleiter empor. Nachdem ich sie durch das Loch nach außen gelassen hatte, schnitt ich sie innen ab und warf sie hinab. Dann stieg ich nach. Sie wurde zusammengelegt und mitgenommen.
Da der Engländer und der Dolmetscher die Örtlichkeit nicht kannten, mußten wir sie führen. Sobald wir tief genug gekommen waren, daß die Felsenkuppe den Feuerschein verdeckte, wurde die Strickleiter hingelegt und angezündet. Wir warfen dürre Zweige darauf, daß sie ganz vernichtet ward.
Diese Flamme erhellte uns den Weg, und der Abstieg ging leichter vonstatten. Die Windungen, welche der Weg machte, waren ziemlich hell bestrahlt, ohne daß das Feuer jenseits des Felsenrisses im Tal gesehen werden konnte.
Unten angekommen, drangen wir möglichst schnell durch die Büsche, denn es lag uns daran, bei unsern Gegnern erscheinen zu können, bevor der Alim wieder in die Höhle kroch. An einer dazu passenden Stelle blieb ich mit den beiden andern zurück. Halef mußte zu Osco und Omar laufen, um sie und meine Gewehre zu holen.
Während wir warteten, ward
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