1704 - Teuflische Abrechnung
Ich nenne sie meine Höllengeister. Sie wollen abrechnen. Sie kommen, um mich zu quälen. Ich habe sie gesehen, ich sah draußen ihre Gesichter, die mir als Fotos entgegen schwebten. Ja, das konnte ich beobachten. Und ich weiß, dass sie noch nicht fertig sind. Sie haben noch was vor, und ich denke, dass es nur uns beide etwas angeht.«
»Was denn?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sie mich nicht in Ruhe lassen werden. Sie haben sich schon seit einiger Zeit bei mir gemeldet, aber erst jetzt sind sie so intensiv geworden. Wir nähern uns dem Ende. Deinem und auch meinem.«
Tanner schwitzte. Es ging ihm alles andere als gut, aber er riss sich zusammen. Er wollte Genaueres wissen, doch auf seine Frage hin lachte Larkin nur.
»Du wirst es sehen. Sie sind immer da. Sie sehen und hören alles, auch jetzt.«
»Die vier Geister der von Ihnen ermordeten Frauen?«
»Ja, so ist es.« Larkin bewegte den Kopf. Er schaute sich in seiner kargen Zelle um. »Du siehst sie nicht, ich sehe sie nicht, aber ich weiß, dass sie in der Nähe sind, denn ich kann sie spüren. Ich kann sie fühlen, sie umgeben mich, sie sind sehr nahe, und ich weiß, dass ich sie bald auch sehen werde.« Er lachte auf, dann sprach er weiter. »Sie wollen Rache. Sie wollen Vergeltung. Sie wollen abrechnen, so und nicht anders ist es. Und wir beide können nichts dagegen tun.« Er tippte sich mit der Fingerspitze an. »Ich habe mich gefragt, warum sie mich nicht schon längst umgebracht haben. Sie hatten die Chance und haben sie nicht genutzt. Jetzt glaube ich, dass sie einen besonderen Plan verfolgen, der sich in kürzester Zeit erfüllen wird. Das ist es, was ich meine.«
»Und was wollen Sie damit sagen?«
»Dass es nur uns beide etwas angeht. Wir stehen im Mittelpunkt, Chiefinspektor …«
Tanner hätte die Worte als Geschwätz abgetan, wenn er in der Nacht nicht das Erlebnis und die Begegnung gehabt hätte. Er fühlte sich in Gefahr, auch wenn sie nicht zu sehen war.
Dass der Professor neben ihm stand, fiel ihm erst wieder auf, als er angesprochen wurde.
»Hat Sie das Treffen weitergebracht, Mr Tanner?«
»Ich – ich – weiß nicht. Da gibt es etwas, das nicht normal und erklärbar ist. Das spüre ich.« Er musste sich räuspern. »Ja, Professor.«
»Und wie lautet ihre Erklärung?«
Tanner schüttelte den Kopf. »Es gibt eine, aber die werden Sie nicht akzeptieren.«
»Und warum nicht?«
»Weil sie völlig absurd ist und trotzdem stimmt. Ich könnte sagen, dass sie metaphysisch ist, aber das hilft Ihnen auch nicht weiter.«
»Sie haben recht.«
»Jedenfalls gibt es zwischen Larkin und mir eine Verbindung, die keiner von uns beiden persönlich hergestellt hat. Sie kommt von woanders her und ist …« Tanner hörte auf zu sprechen, denn jetzt erforderte Larkin seine Aufmerksamkeit.
Er hatte sich erhoben, stand vor seinem Bett und blieb dort auch stehen. Seinen Körper bewegte er nicht, nur den Kopf. Den drehte er so weit es ging.
»Was soll das?«, fragte Warwick.
Die Antwort gab nicht Tanner, sondern Lex Larkin.
»Sie sind unterwegs, ja, sie haben ihr Reich verlassen.«
»Und wen meinen Sie?«, rief der Professor.
»Die Totengeister – ja, die Geister der Toten …«
***
Lex Larkin hatte so laut gesprochen, dass auch Suko und ich die Worte gehört hatten. Mario nicht. Er war einige Schritte zur Seite gegangen und telefonierte.
Suko und ich schauten uns an. Beide nickten wir, als hätten wir uns gegenseitig abgesprochen, dann sagte mein Freund: »Bisher war es Geplänkel. Jetzt werden wir sehen, ob er recht hat.«
Ich nickte nur und zog die Tür weiter auf, um einen besseren Blick zu haben. Die Zelle war zu einer kleinen Bühne geworden, auf der nur der vierfache Mörder agierte. Er saß nicht mehr. Er stand jetzt und hatte den Kopf in den Nacken gedrückt, sodass er in die Höhe schauen konnte, wie jemand, der etwas suchte.
Da wir nichts sahen, mussten wir davon ausgehen, dass auch er nichts sah, sondern nur spürte. Er stand offenbar mit einer anderen Macht in Verbindung, denn ich glaubte nicht, dass er uns hier Theater vorspielte.
Unser Blick fiel auf Tanners Hände. Der Chiefinspektor tat nichts. Er war nur ein stummer Beobachter. In seinem Innern jedoch musste es anders aussehen.
Larkin hielt noch immer nach denen Ausschau, die er erwartete. Bisher hatten sie ihn im Stich gelassen. Ich glaubte nicht daran, dass es länger anhalten würde. Etwas war unterwegs, nur war es mir nicht möglich, dies zu spüren
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