1705 - Mein Job in der Horror-Höhle
nur den Namen gesagt. Der brachte uns nicht weiter, denn eine Ellen Wells ist bisher nicht negativ in Erscheinung getreten.«
»Okay, dann schaue ich sie mir mal aus der Nähe an. Wo kann ich sie finden?«
»In einer unserer Zellen. Sie ist im Moment unser einziger Gast. Gegessen hat sie zum Frühstück nichts. Na ja, wir haben auch kein Blut gehabt.« Er lachte über seinen Witz.
Ich lachte nicht. Wenn diese Person tatsächlich zu den Halbvampiren gehörte, dann war ich mal wieder einen kleinen Schritt weiter gekommen, ohne mich allerdings dem Ziel entscheidend genähert zu haben. Diese nicht fertigen Blutsauger waren eine besondere Spezies. Sie liefen in der Welt herum, hin und wieder bekam ich mit ihnen zu tun, aber sie waren keine fest etablierte Gruppe, die einen Anführer hatte, auf den sie hörte. Sie befanden sich noch in einem Schwebezustand und träumten davon, zu richtigen und mächtigen Vampiren zu werden, aber da hatten sie bisher Pech gehabt. Und so schleppten sie das Erbe des mächtigen Vampirs Dracula II mit sich herum, hielten sich versteckt, kamen aber immer wieder mal aus ihren Verstecken hervor, um sich am Blut der Menschen zu laben.
»Gehen Sie mit?«, fragte Tom Dury.
»Gern.«
»Nun ja, ich will Ihnen ja nicht zu nahetreten, aber gern ist dafür nicht das richtige Wort.«
»Warten wir es ab.«
Durch eine alte Metalltür, die in Kniehöhe eine Beule aufwies, betraten wir den Bereich der Zellen. Es war ein fensterloser Gang mit einem frisch gereinigten Steinboden. Der Geruch des Putzmittels hing noch in der Luft.
Die Gitter der Zellentüren waren dunkelgrau gestrichen. Zwei Lampen gaben Licht, das sich auf dem Boden spiegelte.
»Es ist hier alles alt, Mister Sinclair. Gittertüren vor Zellen gibt es fast nur noch im Film. Aber sicher sind sie.«
»Das denke ich mir.«
Man hatte die Frau in der letzten der drei Zellen untergebracht. Sie hockte auf der Pritsche, es konnte auch ein Feldbett sein, und sie schaute hoch, als wir vor der Tür stehen blieben.
»Lange können wir sie nicht mehr bei uns behalten«, flüsterte Tom Dury mir zu.
»Verstehe.«
Er schloss auf. »Soll ich bleiben oder wollen Sie mit der Person allein sein?«
»Ich denke schon, dass ich allein zurechtkomme.«
Er öffnete die Tür. »Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg, Sir. Auf welchem Gebiet auch immer.«
»Danke. Kann ich brauchen.«
Nach dieser Antwort ging ich den Schritt über die Schwelle, betrat den Raum und setzte mich auf einen Stuhl, von dem aus ich die Frau anschauen konnte.
Ich war gespannt, was sie zu sagen hatte …
***
Zuerst geschah nichts. Ich schaute sie an, sie blickte mir ins Gesicht. Vor mir saß eine Frau, deren Alter schlecht zu schätzen war. Jung war sie nicht mehr, aber das strähnige Haar, dessen Farbe kaum zu schätzen war, machte sie älter. Ein schmales Gesicht, eine graue Haut, dünne Lippen und in den Augen ein kalter Glanz.
»Ellen Wells?«, fragte ich.
Ihr Blick wurde noch böser. »Wer bist du?«
»Ich heiße John Sinclair.«
Sie verengte kurz die Augen und es kam mir vor, als hätte sie den Namen schon mal gehört.
»Und weiter?«
»Ich möchte mit Ihnen reden.«
»Aber ich nicht mit dir.«
»Das ist schade. Wir könnten uns gegenseitig etwas erzählen, finde ich zumindest.«
»Ich habe dir nichts zu sagen.«
»Okay.« Ich nickte. »Dann hätte ich mal eine ganz andere Frage. Sind Sie satt?«
Mit dieser Frage hatte sie wirklich nicht gerechnet. Sie schüttelte nur den Kopf und zog ein Gesicht, als würde sie mich für blöde halten.
Ich setzte nach. »Hat Ihnen das Blut des Mannes gereicht?«
Sie wartete ab. Lauernd, denn so schaute sie mich jetzt an. Dann fing sie an zu lachen. Scharf und abgehackt. »Nein, es hat mir nicht gereicht, Sinclair.«
»Das dachte ich mir.«
»Aber ich rieche frisches Blut. Es fließt durch deine Adern, und ich kann mir vorstellen, dass es mir schmecken wird.«
»Das glaube ich nicht. Es haben schon viele Vampire versucht, mein Blut zu trinken. Gelungen ist es ihnen nicht. Selbst Dracula II hat bei mir kapitulieren müssen.«
Ich hatte den Namen des Supervampirs bewusst erwähnt und sah, dass sie zusammenzuckte. Für mich ein Beweis, dass ich mich auf der richtigen Fährte befand.
»Verstanden?«
»Was meinst du?«
»Dracula II. Oder Will Mallmann. Derjenige, der euch zu dem gemacht hat, was ihr jetzt seid. Keine Menschen, keine Vampire, sondern Wesen, die dazwischen stehen, auf menschliches Blut scharf sind, es aber nicht
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