1705 - Mein Job in der Horror-Höhle
glaube nicht, dass sie von allein darauf gekommen ist. Da muss es einen Vorgang gegeben haben, der sie zu dieser Ansicht gebracht hat. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.«
Nach einer Weile hörte ich wieder die Stimme meines Chefs. »Wenn ich zusammenfasse, sieht es für uns nicht eben gut aus.«
»Leider.«
»Wir werden uns trotzdem darum kümmern. Wir werden nach dem Namen Ellen Wells forschen und auch zahlreiche Kollegen informieren. Vielleicht ist sie mal einem unserer uniformierten Kollegen aufgefallen.«
»Ja, das ist besser als nichts.«
»Und was haben Sie vor, wenn ich das mal fragen darf?«
»Ich werde jemanden aufsuchen, obwohl ich davon nicht begeistert bin. Aber es geht nicht anders.«
»Wen haben Sie da im Blick?«
»Justine Cavallo.«
Sir James schwieg. Ich wusste den Grund. Er war auch nachvollziehbar. Sich als Polizist auf die Seite der Feinde zu stellen und auch hin und wieder mit ihnen zusammenzuarbeiten, das war nicht sein Ding. Meines auch nicht, aber manchmal konnte man nicht anders handeln. Da musste man schon den Beelzebub an seine Seite nehmen, um den Teufel zu vertreiben.
»Es hat einen Vorteil, Sir. Die Cavallo und Mallmann waren Todfeinde. Das gilt bei ihr auch für die Halbvampire.«
»Das sehe ich ein, John. Tun Sie, was Sie für richtig halten, aber lassen Sie es mich wissen.«
»Klar, Sir. Dann bis später …«
***
Jane Collins war nicht überrascht, als sie die Tür ihres Hauses öffnete. Durch einen Anruf wusste sie von meinem Besuch Bescheid. Sie ließ mich eintraten und fragte: »Bleibt es dabei, dass du Justine sprechen willst?« Sie hatte bei der Frage ihre Augenbrauen hochgezogen, sich wohl daran erinnernd, wie die Blutsaugerin sich vor Kurzem in der Nähe der Schlachthöfe verhalten hatte.
»Ja, dabei bleibt es. Ich muss sie sprechen, auch wenn es mir nicht gefällt.«
»Sie ist da.«
»Und weiter?«, fragte ich.
»Nichts weiter. Nur so.« Jane schaute zu, wie ich meine Jacke auszog und sie aufhängte.
»Darf ich mal fragen, worum es eigentlich geht? Was dich zu ihr treibt? Und das bei diesem Wetter.«
»Das ist schwer zu sagen. Oder wiederum ganz einfach. Es kommt darauf an, wie man die Dinge sieht.«
»Machs nicht so spannend.«
»Dracula II!«
Die Detektivin sagte nichts. Sie presste sogar ihre Lippen zusammen. Wäre ihre Haut durchsichtig gewesen, hätte ich sehen können, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. »Ist das ein Witz?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Jane, damit mache ich keine Witze. Aber es ist auch nicht real, so hoffe ich. Ich habe nur einen Hinweis bekommen.«
»Den du allerdings ernst nimmst.«
»Sonst wäre ich nicht hier.«
»Dann erzähl mal.«
»Nicht jetzt. Komm mit hoch, dann muss ich nicht alles zweimal sagen.«
»Wie du willst. Die Lage scheint ernst zu sein – oder?«
»Davon gehe ich mal aus.«
Im ersten Stock des Hauses hatte Jane Collins ihre Wohnung. Auf dieser Ebene lebte auch die Blutsaugerin Justine Cavallo, die sich mit einem Zimmer begnügte. Die beiden so unterschiedlichen Personen lebten zwar unter einem Dach, was Jane Collins ganz und gar nicht gefiel, aber sie hatten kaum Kontakt und sprachen nur das Nötigste miteinander. Für Justine Cavallo war dieses Haus so etwas wie eine Basis und zugleich ein Rückzugsort.
»Sie wird sich freuen, John.«
»Wie meinst du das?«
»Dass wir nach unserem gemeinsam erlebten Fall wieder angekrochen kommen.«
»Es passt mir zwar auch nicht, aber ich sehe leider keine andere Möglichkeit.«
»Wenn du das sagst.«
Wir hatten das Ende der Treppe erreicht. Die nächste führte zum Dachboden hinauf, wo sich ein großes Archiv befand, das noch Sarah Goldwyn, die Horror-Oma, eingerichtet hatte. Es war von Jane übernommen worden.
Ich drehte mich nach links und stand einen Schritt später vor Justine Cavallos Zimmertür. Hineinplatzen wollte ich nicht, deshalb klopfte ich an, bevor ich die Tür öffnete.
Mein Blick fiel in ein Halbdunkel. Im ersten Augenblick war nicht erkennbar, ob sich die Vampirin im Raum aufhielt. Gegenüber der Tür lag das Fenster. Eine Scheibe war nicht zu sehen, weil ein dunkles Rollo vor das Rechteck gezogen war.
Die Cavallo bildete als Vampirin eine Ausnahme, denn sie war in der Lage, sich auch im Tageslicht bewegen zu können. Dass sie ihr Zimmer abgedunkelt hatte, darüber konnte ich nur grinsen. Es war mir aber auch egal.
Es gab ein Bett, einen Schrank und einen Tisch. Davor stand ein Stuhl mit Metallbeinen. Dort saß die
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