1708 - Geheimsache Gender
alles nicht ausrechnen."
Sheremdoc lächelte sanft, aber Gender nahm ihm die freundliche Fassade nicht ab.
„Eigentlich solltest du seit 1223 Jahren tot sein, Timmersson. Oder längst in ES aufgegangen. Aber keine der beiden Möglichkeiten trifft zu.
Also ist etwas mit dir passiert. Ich möchte wissen, was das ist, und ich möchte wissen, was du auf der Erde gesucht hast." ,Gender wurde erneut schwindlig. „Bedeutet das, ich bin nicht mehr auf der Erde?"
„Nein."
„Wo?"
„Auf Mimas."
„Wieder im Solsystem?"
„Ja. Die Erde ist längst wieder bei Sol."
„Das darf nicht sein", hauchte er. „Ich glaube, ich sollte nach Terrania gehen."
„Weshalb Terrania?" fragte Sheremdoc unerbittlich.
„Weil dies hier der falsche Ort und die falsche Zeit ist."
Das Schwirren in seinem Gehirn wurde schlimmer. Schreckliche Enge. Drückt mich nicht! Preßt mich nicht zusammen! Gedanken brauchen Platz!
Eine Stimme sagt: Aber du hast deinen Platz doch, Timmersson.
Unsagbare Erleichterung. Ich konnte so nicht leben und nicht sterben. Die Stimme: Du wirst uns verlassen, Timmersson, und etwas für mich erledigen ... Es wird ganz einfach sein. Jetzt, da ich glücklich bin? Nach mehr als tausend Jahren?
Ja.
„Da ist eine schreckliche Gefahr", flüsterte er. „Ich kann sie nicht aufhalten, Geo. Der falsche Ort, die falsche Zeit..."
Er spürte, wie er das Bewußtsein verlor, wie sich als drückender Schatten die Alpträume über sein Bewußtsein senkten.
*
Aber etwas ließ ihn nicht ruhen, weckte ihn wieder auf, obwohl er die Gedanken im eigenen Schädel nicht ertragen konnte.
Körperlich fühlte er sich nach wie vor bestens. Er hätte aufspringen und tausend Kilometer laufen können. Zuwenig. Reicht nicht bis Terrania.
An seinem Bett saß immer noch der Mann mit dem Kahlkopf. Gender hätte lieber mit jemandem gesprochen, der menschlicher aussah, nicht so verdammt zielstrebig und perfekt.
Allerdings war ein zweiter Mann hinzugekommen, der sich ein wenig im Hintergrund aufhielt. Der andere war ein hagerer, etwas über einsachtzig großer Kerl mit zerrauften schwarzen Haaren und ziemlich verwirrtem Blick.
„Hallo", flüsterte Gender. „Ich hatte wohl einen Schwächeanfall."
„Nicht der Rede wert", sagte Sheremdoc. Er zeigte auf den Schwarzhaarigen: „Das ist übrigens Boris Siankow, unser fähigster Wissenschaftler. Er ist neben mir dein Ansprechpartner."
Gender nickte dem Mann namens Siankow mißtrauisch, aber dennoch höflich zu. Er verstand weder, in welcher Lage er sich befand, noch diese sonderbaren Menschen.
Sheremdoc rückte ein bißchen vor. Unter dem Druck seiner Persönlichkeit verblaßte Siankow zu einem Statisten.
„Ich schlage dir einen Handel vor, Timmersson. Du hilfst uns in jeder nur möglichen Weise, deine Herkunft und deinen Auftrag aufzuklären.
Dafür helfen wir dir, den richtigen Ort und die richtige Zeit herauszufinden. Was den Ort angeht, können wir dir dann vielleicht sogar konkret helfen."
„Du meinst, ihr bringt mich dann dahin, wo ich hin will?"
„Unter Umständen. Sobald wir glauben, daß du für uns keine Bedrohung mehr darstellst."
Timmersson Gender schüttelte den Kopf, obwohl er unter Sheremdocs Blick lieber zu allem ja gesagt hätte.
„Ich halte das nicht für einen fairen Handel. Ich soll alles preisgeben.
Und ihr entscheidet selbst, was euch paßt und was nicht."
„Das ist zweifellos richtig", gab Sheremdoc zu. „Es ist jedoch nicht anders möglich. Ich trage die Verantwortung für viele Milliarden Menschen. Du dagegen nur für dich selbst. Also mußt du eher zu einem Kompromiß bereit sein als ich."
Timmersson Gender dachte lange darüber nach. Er lag in seinem Bett und starrte mißtrauisch auf die beiden ungleichen Männer.
„Nun gut", gab er sich widerwillig geschlagen. „Ich werde euch in jeder Beziehung helfen, die möglich ist."
Der Mann namens Boris Siankow bat: „Kannst du mir deine Kleidung geben? Ich würde sie gern untersuchen. Vielleicht ergeben sich dadurch Anhaltspunkte."
In den Augen des Wissenschaftlers stand eine Art hinterhältiges Funkeln, das Gender zwar warnte, aber nicht mehr abschrecken konnte.
„Du bekommst die Kleidung."
Er richtete sich auf, öffnete den Reißverschluß seiner Jacke und zog sie sich über den Kopf.
Boris Siankow bekam große, fassungslose Augen, die noch größer wurden, als ihm Gender die Jacke reichte.
„Die Hose und die Mokassins auch", ergänzte Sheremdoc.
Timmersson Gender reichte beides an
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