1710 - Im Bann der schönen Keltin
ersten Moment so scharf, dass es mir den Atem verschlug. Doch das war nur in den ersten Sekunden, danach ging es mir besser, und ich spürte den warmen Strom, der dabei in Richtung Magen rann.
»Iss den Teller ruhig leer. Du wirst sehen, dass es dir danach besser geht.«
»Jawohl, gnädige Frau.«
Shao musste lachen, während ich aß, und ich musste zugeben, dass sie nicht übertrieben hatte. Die Suppe oder der Eintopf taten mir wirklich gut. Sie sorgten für eine Veränderung im Körper. Genau beschreiben konnte ich dieses Phänomen nicht, aber ich fühlte mich besser. Zwar noch nicht hundertprozentig fit, aber ich kam zurecht, und ich löffelte den Teller leer.
Als ich mich zurücklehnte, hörte ich Shaos Frage. »Noch einen Nachschlag?«
»Nein, nein, das hat genügt. Vielen Dank noch mal.«
»Und du fühlst dich besser?«
»Auf jeden Fall.«
»Ja, die alten Rezepte. Ich habe Suko eingeweiht. Er weiß, was ich dir zu essen gekocht habe.«
»Hat er sich darüber gefreut?«
»Er hat nur darüber nachgedacht, ob du den ganzen Tag über krankmachen willst oder nicht.«
»He, wie käme ich dazu?«
»War ja nur eine Frage.«
»Wer feiern kann, der kann auch arbeiten. Diesen Spruch habe ich schon früher von meinen Eltern gehört.«
»Dann willst du ins Büro?«
Ich stand auf. »Ja, ich nehme die U-Bahn und werde auch stark genug sein, um den Spott zu ertragen.«
»Oh, du Ärmster.« Shao hatte das große Bedauern in ihre Stimme gelegt und sah auch so aus.
Ich bedankte mich nochmals bei ihr und ging eine Tür weiter, um zurück in meine Wohnung zu gehen. Den Fuß hatte ich kaum über die Schwelle gesetzt, da wehte mir schon die Melodie des Telefons in die Ohren. Ich hätte jede Wette darauf angenommen, dass es Suko war, aber ich irrte mich.
»Ja, ja, ich komme gleich und …«
»Dass du zu Hause bist und gegen die Folgen des letzten Abends zu kämpfen hast, hat man mir schon gesagt, als ich bei euch im Büro anrief.«
Die Stimme hatte ich längst erkannt. Purdy Prentiss hatte keinen Namen nennen müssen.
»Du bist es?«
»Ja, ich. Überraschung am Morgen.«
»Das kann man wohl sagen. Und worum geht es? Hast du ein Problem, bei dem ich dir helfen kann?«
»Du hast es erfasst.«
»Und worum geht es?«
»Irrtum, John. Erst mal möchte ich dich fragen, ob du wieder okay bist.«
»Keine Sorge. Shao hat dafür gesorgt, dass ich mich fit wie ein Turnschuh fühle.«
»Wunderbar. Dann bist du ja bereit, mir zur Seite zu stehen.«
Ich horchte auf. »Gibt es ein Problem?«
»Ja und nein. Es könnte zu einem Problem werden. Dabei geht es nicht um mich, sondern um eine gute Bekannte. Sie heißt Birgitta Quayle und arbeitet als Anwältin.«
»Kenne ich nicht.«
»Das weiß ich. Solltest du zustimmen, wirst du sie kennenlernen. Ich habe mich für den heutigen Abend mit ihr verabredet und möchte dich gern dabei haben, falls du nichts Besonderes vorhast.«
»Das habe ich wohl nicht.«
»Dann sagst du zu?«
Ich zögerte noch. »Darf ich denn wissen, um was es geht?«
Nach einem kurzen Zögern hörte ich die Antwort. »Ich würde sagen, es geht um ein Phänomen.«
»Hört sich spannend an. Aber was genau steckt dahinter?«
»Ein Traum, John. Und zwar ein Traum, der immer wiederkehrt und gegen den sich Birgitta nicht wehren kann.«
»Und was ist das für ein Traum?«
»Sie sieht sich selbst in einer anderen Welt oder Zeit. Am Ufer einer Küste stehend und mit einem Schwert bewaffnet, das sie gegen eine Seeschlange, oder was immer es auch ist, einsetzt. Jedenfalls etwas, das aus dem Wasser gestiegen ist.«
»Ein Ungeheuer?«
»So ähnlich.«
Ich war skeptisch. »Keine Täuschung?«
»Das denke ich nicht, sonst hätte sie nicht mit mir darüber gesprochen. Ich will nicht sagen, dass sie in Panik verfallen ist, das auf keinen Fall, aber es steckt schon etwas dahinter, davon gehe ich aus. Das sagt mir meine innere Stimme.«
Ich überlegte. Der letzte Fall lag noch nicht weit zurück, ich dachte eigentlich, etwas Ruhe zu haben, doch nun wurde ich mit Purdys Anruf konfrontiert.
»Und was könnte deiner Meinung nach dahinterstecken?«
»Ich habe lange überlegt. Wahrscheinlich das gleiche Phänomen wie bei mir.«
»Also ein doppeltes Leben.«
»Das Gefühl habe ich.«
Ich musste kurz nachdenken. Bisher hatte ich mich immer darauf verlassen können, dass hinter den Anrufen, die Purdy Prentiss getätigt hatte, etwas Besonderes steckte. Da war dieses untrügliche Gefühl in ihr. Auch ich konnte mich
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