1715 - Gewächs des Grauens
hielt. Sie hörte ein schnackendes Geräusch, und vorn aus dem Griff schnellte eine Messerklinge, auf deren Stahl das Licht gelbliche Reflexe warf.
Obwohl Jane sah, wie man sie umbringen wollte, konnte sie es nicht fassen. Dieser Mensch, dem der Bischof vertraut hatte, war letztendlich nichts anderes als ein Killer, dem es nichts ausmachte, eine Frau umzubringen.
Sobic beugte sich vor. Er wollte sich Jane zunächst genauer anschauen. Noch zeigte die Spitze der Klinge nicht auf sie, und auch die Detektivin wartete ab.
Eine Hand näherte sich ihrer Schulter. Da Jane auf der Seite lag, war ihr klar, was der Mann vorhatte. Er wollte sie in eine Lage bringen, wo es ihm leichter fiel, sie zu töten.
Jane fiel auf den Rücken. Die rechte Hand hielt sie eng gegen ihren Körper gepresst, so war die Waffe für Sobic nicht zu sehen. Aber die Bewegung hatte ihr gar nicht gut getan. Durch ihren Kopf zuckten wieder die Stiche, und sogar die Gestalt des Killers verschwamm für einen Moment vor ihren Augen.
Dann sah sie wieder klar und hatte auch die Bewegung des Mannes mitbekommen. Er war auf die Knie gesunken und bewegte seinen Mund. Dann hob er den rechten Arm.
Jane wollte es nicht auf die Spitze treiben. Sie löste ihren rechten Arm vom Körper und hob ihn an. Nun hielt sie eine Pistole in der Hand, die Sobic nicht übersehen konnte und plötzlich versteinerte.
Auch sein Mund blieb offen, und Jane Collins sagte: »Eine Kugel ist immer schneller als ein Messer, Sobic. Das sollten Sie wissen.«
Er sagte nichts, also sprach Jane Collins weiter. »Und jetzt werden Sie Ihr Messer fallen lassen.«
»Und dann?«, flüsterte er.
»Lassen Sie es fallen, verdammt!«
Sobic wusste, dass Jane Collins nicht scherzte. Er war froh, dass sie noch nicht geschossen hatte. Mit einer kurzen Bewegung warf er das Messer zur Seite. Es landete in der Dunkelheit des Flurs.
»Sehr gut!«, lobte Jane.
Plötzlich konnte Sobic lachen. Es war aber mehr ein Kichern. Er leckte über seine Lippen und fragte: »Was wollen Sie denn jetzt machen? Mich erschießen? Das können Sie, aber dann kommen Sie hier nicht mehr lebend raus, denn ich habe Besuch bekommen von drei Verbündeten. Sie haben die Ikone mitgenommen und sind jetzt dabei, sie in der Kirche aufzuhängen. Hinter dem Altar, unter dessen Platte der tote Bischof liegt.«
Der letzte Satz hatte Jane kalt erwischt. Natürlich hatte sie sich Sorgen um Makarew gemacht, doch jetzt die Wahrheit zu hören war nicht so leicht zu verkraften. Sie musste sich schon zusammenreißen, um eine Frage zu stellen.
»Wer hat ihn getötet?«
Sobic lachte. »Rate mal!«
»Das muss ich wohl nicht, weil der Killer vor mir kniet.«
»Genau, Makarew hätte mitspielen sollen. Ihm wurde der Vorschlag gemacht, doch er hat sich nicht für uns entschieden. Das ist sein Pech gewesen.«
Jane kämpfte gegen die Stiche im Kopf an und gegen einen leichten Schwindel. Sie wollte nicht schwach werden, und zudem hatte sie genug erfahren.
»Drehen Sie sich um!«
»Was? Wollen Sie mir in den Rücken schießen?«
»Umdrehen und mit den Knien auf dem Boden bleiben!«
Sobic starrte auf die Waffe. Er schien zu überlegen, ob er Jane angreifen sollte. Er ließ es bleiben, denn auf die kurze Entfernung konnte die Frau ihn gar nicht verfehlen.
»Gut, ich drehe mich um. Aber glauben Sie nicht, gewonnen zu haben.«
»Das lassen Sie mal meine Sorge sein.« Jane wartete, bis sie den Rücken des Mannes vor sich sah, erst dann bewegte sie sich.
Und sie wusste, dass sie sich beeilen musste, denn sie war alles andere als fit. Es bedeutete für sie schon eine gewaltige Anstrengung, sich aufzurichten.
Mit der freien Hand stützte sie sich ab. Den rechten Arm hob sie an – und schlug zu.
Der Lauf der Beretta erwischte den Hinterkopf des Killers. Es war ein dumpfes Geräusch zu hören, als hätte jemand gegen einen Haufen Gummi geschlagen.
Sobic zuckte zusammen. Er gab noch einen Laut von sich. Sein Kopf sank langsam nach vorn, während er seine Position nicht mehr halten konnte und langsam nach rechts fiel.
Jane kniete noch immer. Aber sie merkte, dass sie die Aktion ziemlich angestrengt hatte.
Jane gab sich keinen Illusionen hin. Die erste Hürde hatte sie zwar geschafft, aber weitere würden folgen. Sie hatte nicht vergessen, was Sobic ihr erzählt hatte.
Der Bischof war tot. Dafür aber lebten noch drei Killer, die sich nicht weit entfernt von ihr in der Kirche aufhielten …
***
Ich gratulierte mir dazu, in der Kirche
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