1716 - Assungas Hexensturm
endgültigen Beweis dafür, dass er es mit einer Blutsaugerin zu tun hatte. Das gab ihm beinahe den Rest. Er wunderte sich, dass er noch nicht auf seinem Stuhl zusammengebrochen war und immer noch denken konnte.
»Überlege es dir gut«, warnte ihn die Cavallo.
»Ja, ich weiß. Das haben Sie mir ja alles gesagt. Aber ich weiß nichts, und deshalb fällt mir auch nichts ein.« Seine Stimme wurde schrill. »Ich kann mir doch keine Antwort aus den Rippen schneiden, verflucht noch mal.«
»Stimmt, das kannst du nicht.«
Er ballte seine Hände zu Fäusten. »Ich weiß auch nicht, was das soll. Das habe ich den beiden Bullen schon gesagt, die mich vorhin aufgesucht haben.«
Justine stutzte.
»Moment, wie war das?«
»Was – ähm – meinen Sie?«
»Wann waren die beiden Bullen hier?«
»Kurz bevor Sie kamen. Aber sie haben nicht zu denen gehört, die am frühen Morgen den Tod der Frau untersucht haben. Das waren zwei andere.«
»Beschreib sie!«
Erst wollte Gentry lachen oder den Kopf schütteln, doch unter dem eisigen Blick brach dieser Vorsatz zusammen. Er sprach mit leiser Stimme.
»Der eine war ein Chinese …«
Ein leiser Schrei unterbrach ihn. Justine Cavallo hatte sich nicht beherrschen können und Mike Gentry traute sich nicht mehr, ein weiteres Wort zu sagen.
»Sie waren zu zweit!«, stellte die Cavallo fest. »War der Zweite zufällig groß und blond?«
»Ja, das war er.«
Justine zischte einen Fluch. Sie wusste nicht, wie es Sinclair und Suko gelungen war, die Spur aufzunehmen. An einen Zufall glaubte sie nicht.
»Du hast ihnen also nichts gesagt.«
Jetzt rann der Schweiß über sein Gesicht. Zudem meldete sich das Telefon, das er allerdings missachtete. »Verdammt noch mal, was hätte ich ihnen denn sagen können? Ich weiß doch nichts, aber das wissen Sie auch, verflucht.«
»Ist ja schon gut«, sagte sie gedehnt. »Ich glaube dir ja. Aber ich muss noch etwas wissen.«
»Was denn?«
»Sie sind also wieder verschwunden, haben sie denn gesagt, was sie vorhaben?«
»Nein.«
Eine Hand presste sich gegen die Stirn des Mannes. »Denk genau darüber nach, was du sagst. Du kannst dir auch Zeit lassen. Ich will nur keine Lügen hören.«
»Aber ich konnte ihnen nichts sagen, weil ich nichts weiß. Ich habe ihnen nur einen Rat gegeben.«
»Aha.«
»Das war ganz harmlos«, sagte er schnell. »Ich habe ihnen gesagt, dass sie sich an andere Verkäuferinnen wenden sollen. Möglichweise haben die Kolleginnen mehr von ihr gehört. Aber genau weiß ich das auch nicht. Sie hatten auch nichts dagegen. Sie sind einfach gegangen, und dann sind Sie erschienen.«
Justine Cavallo nickte. Es war ihr nicht anzusehen, ob sie dem Mann glaubte oder nicht, aber sie nahm schon eine entspannte Haltung ein.
Allerdings ließ sie den Blick nicht vom Hals des Mannes, und ihre Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln.
Dann bewegte sie sich.
Es war ein schneller Griff, dem der Mann nichts entgegenzusetzen hatte. Er wollte noch zurückzucken, doch es war zu spät. Die gespreizten Finger einer Hand erwischten sein Gesicht und plötzlich hatte seine Haut rote Streifen, und Schmerzen durchzuckten Gentry.
Blut rann aus den Wunden, die gar nicht mal tief waren, aber die Cavallo hatte es so gewollt.
Mit einem zweiten Ruck und einer gedankenschnellen Bewegung umklammerte sie den Hals des Mannes mit einem regelrechten Würgegriff. Aber sie wollte ihn nicht auf diese Art und Weise umbringen, sondern zerrte ihn von seinem Stuhl hoch und wuchtete ihn quer über den Schreibtisch, wobei einer der beiden Computer in Bewegung geriet, dann über die Kante kippte und auf dem Boden landete.
Jetzt hatte Justine freie Bahn. Sie presste den Körper gegen die harte Unterlage, öffnete den Mund so weit wie möglich und rammte dann ihre beiden spitzen Eckzähne in den Hals des Opfers …
***
Ob wir das Richtige taten, wussten wir nicht, als wir den Weg zurückgingen. Wir dachten auch daran, das Lager zu durchsuchen, das in einem Anbau untergebracht war und an der Frontseite die Rampe hatte.
Eines stand fest. Wenn Justine Cavallo es geschafft hatte, auf die Erde zurückzukehren, würde sie hier auftauchen. Und sie war eine Person, die einfach nicht zu übersehen war. Sie fiel immer auf. Egal, ob die Menschen sie positiv sahen oder negativ. Wenn sie einmal da war, dann übernahm sie sofort die Herrschaft.
Wir kannten sie lange genug. Und lange hatte sie auch auf unserer Seite gestanden, bis es nicht mehr möglich war, denn da war ihr
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