1716 - Assungas Hexensturm
Sie warf Elaine einen fragenden Blick zu.
»Stimmt es, was Nora gesagt hat? Wolltest du ihr Blut trinken?«
Elaine wusste, dass es besser war, bei der Wahrheit zu bleiben. Deshalb sagte sie: »Ja, ich wollte sie aussaugen, aber ihr Blut schmeckte so ekelhaft bitter, dass ich es wieder ausgespuckt habe.«
Um sie herum erklang Gelächter. Noras Lachen war besonders laut zu hören.
Assunga sagte: »Ja, du musst noch viel lernen, Halbvampirin. Denn Hexenblut ist nicht wie das der normalen Menschen. Es ist für Vampire und auch solche, die es noch werden wollen, ungenießbar. Hat dir das keiner gesagt?«
Elaine wollte und konnte nicht sprechen. Deshalb schüttelte sie nur den Kopf.
»Dann weißt du es jetzt. Aber ich sage dir auch, dass es zu spät für dich ist. Wer meine Freundinnen angreift, der hat das nicht umsonst getan. Ich habe mir dafür eine Strafe ausgedacht, und die werde ich durchziehen …«
Mehr sagte sie nicht und so konnte Elaine darüber nachdenken, wie diese Strafe wohl aussah.
Sie spürte einen wilden Schmerz im Kopf, als an ihren Haaren gezogen wurde. Doch Assungas Hand ließ sie gleich darauf wieder los.
Elaine taumelte etwas zurück. Tränen schwammen in ihren Augen. So sah sie nicht mehr alles klar. Der Schleier war nicht so dicht, als dass er alles verborgen hätte. Sie sah, dass diese Assunga ihren Mantel öffnete. Es wirkte plötzlich wie eine Einladung und sie sah auch die zweite Farbe.
Außen war der Mantel schwarz. Aber innen war er gelb. Das fiel auch Elaine auf, die sich allmählich erholte und dann von Assunga gepackt wurde.
Die Halbvampirin wusste nicht, was mit ihr geschah, bis sie gegen den Körper der rothaarigen Hexe gedrückt wurde und sich der Mantel um sie schloss.
Für die anderen war sie nicht mehr zu sehen. Nur Schreie waren zu hören, die wenige Momente später verstummten, als Assunga den Mantel wieder öffnete.
Elaine war noch da. Aber sie sah nicht mehr so aus wie zuvor. Sie war geschrumpft, ihre Haut hatte einen schwarzgrauen Ton angenommen, und von den Augen war nur noch das Weiße zu sehen. Rauchfäden umkringelte die Gestalt, die sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und nach dem dritten Schritt zusammenbrach.
Viel erinnerte nicht mehr an die Halbvampirin. Was da auf dem Boden lag, war eine verbrannte Gestalt, der das Leben geraubt worden war.
Assunga drehte sich um. Sie wollte etwas von Nora, die gespannt darauf wartete, angesprochen zu werden, und Assunga tat ihr auch den Gefallen. Sie sprach so laut, dass alle anderen mithörten.
»Ich wusste, dass es irgendwann zu einem Zusammenstoß zwischen uns und der Vampirseite kommen würde. Wir haben einen Sieg errungen, aber keine Schlacht, denn wir dürfen unsere Feinde nicht unterschätzen, die eine neue Führerin bekommen haben. Noch hat sie sich zurückgehalten, aber das wird nicht immer so sein. Ich habe euch den Namen schon mal genannt und frage euch jetzt, ob ihr ihn behalten habt. Wie heißt diese Person, von der ich gesprochen habe?«
Nora gab die Antwort. »Justine Cavallo!«
»Richtig, genau sie …«
***
Irgendwie freute ich mich darauf, mal wieder an einem Morgen ins Büro zu kommen. Das war mir in der letzten Zeit nicht so oft vergönnt gewesen. So fuhren Suko und ich durch den Londoner Morgenverkehr in Richtung Scotland Yard, und ich berichtete ihm von meinem letzten Fall, bei dem er nicht dabei gewesen war, sondern Jane Collins.
»Und du bist dir sicher, dass die Erben Rasputins dahintergesteckt haben?«, fragte Suko.
»Ja. Auch wenn ich es nicht beweisen kann. Diese Bande breitet sich aus. Russland ist ihr zu klein.«
»Oder zu wenig besiedelt«, meinte Suko lakonisch.
»Das kann auch sein. Na, ja, wir werden wohl für eine Weile Ruhe vor ihnen haben. Zumindest hier in London oder auf der Insel.«
»Hoffen wir’s.«
Wir schafften es, fast pünktlich im Büro zu erscheinen, wo unsere Assistentin Glenda Perkins natürlich schon da war. Wie hätte es auch anders sein können?
Der Frühling war zwar noch nicht da, aber Glenda sehnte ihn so sehr herbei, dass sie eine Bluse angezogen hatte, die ein frühlingshaftes Blumenmuster zeigte. Dazu trug sie eine blaue Jeans und über der Bluse eine blaue Jacke.
»Starkes Outfit«, lobte ich nach dem Morgengruß.
»Tja, man muss was tun. Die Konkurrenz ist groß, was ich ja nicht zu erwähnen brauche.«
»Wie meinst du das denn?«
»Ganz einfach. Wer war denn mit einer gewissen Jane Collins zusammen?«
»Ich.«
»Eben. Muss ich
Weitere Kostenlose Bücher