1718 - Die Messerkatze
pervers. Auf keinen Fall konnte sie so etwas akzeptieren.
Mary Slater versuchte es erneut.
Sie gab sich einen heftigen Ruck, und diesmal klappte es. Sie blieb auf ihren Füßen stehen, verspürte auch keinen Schwindel und war endlich in der Lage, auf das tote Tier zuzugehen.
Dabei zitterte sie. Ihr Atem ging heftig. Auf ihren Schläfen lastete ein Druck, der ihr neu war.
Als sie die unmittelbare Nähe ihrer Katze erreichte, da stöhnte sie auf und ging in die Knie.
Das Tier lag so, dass sie in das Gesicht schaute. Und sie hatte den Eindruck, als würde die Katze sie vorwurfsvoll anschauen, weil sie es nicht geschafft hatte, sie zu retten.
Wieder strömten die Tränen aus ihren Augen. Sie fing an, mit dem Tier zu sprechen, und flüsterte stets dieselben Worte.
»Ich habe nichts tun können, mein Liebling. Die Frau war zu grausam. Sie hat nur dein Blut gewollt, nur dein Blut …«
Mehr fiel ihr nicht ein. Sie senkte den Kopf und ließ den Tränen weiter freien Lauf. Aber je mehr Zeit verging, umso mehr veränderte sich in ihrem Innern etwas.
Zwar blieb die Trauer noch bestehen, doch da gab es noch etwas, auf das sich ihre Gedanken konzentrierten. Es war das Gefühl der Wut. Auch der Rache. Der Abrechnung.
Sie schaute weiterhin auf ihre tote Katze und gab dabei so etwas wie einen Schwur ab.
»Nein, nein und nochmals nein«, flüsterte sie mit scharfer Stimme. »Ich werde es nicht zulassen, dass deine Mörderin so einfach davonkommt. Du bist zwar nur ein Tier, doch auch Tiere haben ein Recht auf Leben und dürfen nicht einfach so abgeschlachtet werden. Diese Mörderin wird ihre Strafe erhalten. Ich werde sie anzeigen. Ich werde dich als Beweisstück mitnehmen, ich werde dich den Polizisten präsentieren und werde ihnen sagen, wie deine Mörderin aussieht. Ja, ich gebe ihnen eine genaue Beschreibung, denn ich will, dass sie gefasst wird.«
Das hatte sie einfach sagen müssen. Sie konnte sich nicht nur in ihre Trauer versenken. Sie musste handeln, nur das war wichtig.
Ihre Katze war zu einem Opfer geworden. Sie konnte sich auch vorstellen, dass Lizzy nicht das einzige Tier war, das von dieser Rothaarigen getötet worden war. Und die würde weiterhin töten und das Blut der Tiere trinken. Das war verbrecherisch, das war pervers, und das musste sie melden. Möglicherweise suchte die Polizei bereits nach einer Person, die es auf Katzen abgesehen hatte, und war froh, wenn sich eine Zeugin meldete.
Mary Slater hatte plötzlich keine Tränen mehr. Ihre Gedanken drehten sich nur noch um Rache und Abrechnung.
Sie ging in die Küche und holte ein entsprechend großes Tuch, in das sie den toten Katzenkörper wickelte. Sie erinnerte sich daran, im Wandschrank einen leeren Karton gesehen zu haben. Von der Größe her musste er passen. So gerüstet, wollte sie zur Polizei gehen, die tote Lizzy präsentieren und dafür sorgen, dass die Mörderin zur Strecke gebracht wurde.
Sie dachte nicht darüber nach, wie groß die Chancen waren. Sie musste nur etwas tun, um mit sich selbst ins Reine zu kommen.
Es dauerte kaum mehr als fünf Minuten, da hatte sie ihre Wohnung verlassen und war unterwegs …
***
»Ich weiß nicht, Kollege, ob wir dafür tatsächlich die richtige Adresse sind …«
»Aber das ist doch äußerst ungewöhnlich, Miss Perkins.«
Glenda nickte, obwohl es ihr Gesprächspartner nicht sehen konnte. »Ja, das gebe ich zu.«
»Und deshalb habe ich der Frau geraten, sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen.«
»Ich kann nichts für sie tun.«
»Das weiß ich, Kollegin. Aber Ihre Kollegen John Sinclair und Suko. Das ist ein Fall, der sie einfach etwas angehen muss. So was ist doch nicht normal, ich kann es nur wiederholen. Jemand tötet eine Katze und trinkt ihr Blut. Das ist schon mehr als pervers.«
Glenda nahm die Luft aus dem Gespräch. »Nun ja, es gibt einige Perverse in dieser Stadt, sicherlich zu viele, und wir können uns nicht um alle kümmern.«
Der Kollege gab keine Ruhe. »Aber dieser Fall ist etwas ganz Besonderes. Aber Miss Slater war so ehrlich. Man hat sie ja auch außer Gefecht gesetzt, damit die andere Frau in Ruhe die Katze töten und ihr Blut trinken konnte. Das kann man mit einem Vampir vergleichen oder einer Vampirin.«
»Nun ja, so weit würde ich nicht gehen …«
»Sollte man nicht den Anfängen wehren? Und meine Kollegen und ich wissen, was zu tun ist, wenn wir mit Vorfällen konfrontiert werden, die den Rahmen des Normalen sprengen. Da muss dann Ihre Abteilung
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