172 - Der Spinnenfürst
furniertem Fichtenholz, lag Allan Richardson – nicht mehr tot, aber auch noch nicht richtig lebendig.
Er schwebte in einem schleppenden Zwischenstadium, die Kraft der Spinnenhand mußte erst noch länger auf ihn einwirken. Dumpfes Stöhnen und Röcheln drang aus seinem Sarg, eindeutige Zeichen dafür, daß er sich auf dem Weg zurück befand.
Yates trat vor die Särge und öffnete sie. Leon Hogg war noch bleich, schlaff und fahl.
Durch Allan Richardsons Körper ging in unregelmäßigen Abständen ein konvulsivisches Zucken, er rollte die Augen und verzerrte unkontrolliert das Gesicht.
Timothy Montell dagegen wirkte ruhig, ausgeglichen und geduldig. Die Strahlung des Höllenbilds durchdrang mühelos den Sargdeckel, wenn dieser aber offen war, traf ihn die volle Ladung der schwarzen Kraft und weckte den Wunsch in ihm, sich zu erheben.
Er war groß und hatte gekraustes Haar. Der grausame Ausdruck um seine Lippen hatte sich nach seinem Erwachen verstärkt. Er sah Yates an und fragte gedehnt: »Wie lange noch?«
Yates grinste. »Du fängst doch nicht etwa an, ungeduldig zu werden?«
»Wann läßt du mich gehen? Wann schickst du mich zurück?« wollte Montell wissen.
»Du willst dich rächen«, sagte Courtney Yates, »aber du bist noch nicht soweit.«
»Ich fühle mich stark.«
»Ja, hier, im Keller meines Hauses.« Yates nickte zustimmend. »Das glaube ich dir, denn hier kräftigen dich die Strahlen der Hölle, aber wenn du fortgingst, würdest du sehr schnell abbauen. Du hast noch nicht gelernt, die erhaltene Kraft zu speichern.«
»Bring es mir bei«, verlangte Montell.
»Das ist nicht nötig. Was immer du für dein zweites Leben brauchst, wirst du von diesem Bild bekommen. Es ist die Quelle, an der wir uns immer wieder laben werden, heute, morgen, immer.«
***
Tucker Peckinpah versorgte mich mit den vorhandenen Informationen, und ich machte mich an die Arbeit, um weitere hinzuzufügen. Eugene Cooper und Ian Roper hatten ein Stammlokal gehabt, das sich in Covent Garden befand.
Vor der großen Markthalle spielten Straßenmusikanten zündende lateinamerikanische Rhythmen, die die Zuschauer die Kälte vergessen ließen.
Ich betrat das verrauchte Pub, in dem die Luft so dick war, daß man sie in Würfel schneiden und zur Tür hinausschieben konnte. Der Wirt, ein dicker Glatzkopf, schätzte mich sofort richtig ein: Ich paßte nicht in sein Lokal.
Es war ihm unschwer anzusehen, daß er das dachte. Ich beugte mich neben einem lauten Kerl über den Tresen und sagte: »Ale. Ein kleines.«
Der Dicke maß mich geringschätzig. Was wollte ich in seinem Pub, wenn ich nicht einmal Manns genug war, ein großes Bier zu verkraften?
»Darf es sonst noch etwas sein?« fragte er hoffend. Er wies auf seine »Starkmacher«, die Schnäpse. Alle Flaschen waren auf den Kopf gestellt. Wenn der Wirt ein Glas gegen den darunter befindlichen Hebel drückte, begann Whisky, Cognac, Gin oder irgendein anderer Schnaps zu sprudeln.
Da ich dankend ablehnte, zog ich mir die volle Verachtung des Mannes zu. Bestimmt war er versucht, mich zu fragen, ob ich es nicht lieber mit Milch versuchen wollte.
Ich griff nach meinem Glas, der laute Bursche neben mir lachte brüllend auf, drehte sich und stieß mit dem Ellenbogen gegen meine Hand.
Ich verschüttete das halbe Bier, aber es erwischte nicht mich, sondern ihn.
»Oh, Scheiße!« schrie er und schaute sauer auf seine nassen Jeans. Das Bier machte große dunkle Flecken.
»Wie sehe ich denn jetzt aus?« beklagte er sich.
Ich konnte mir nicht vorstellen, daß er auf eine Entschuldigung wartete. Wenn sich jemand hätte entschuldigen müssen, dann er.
Er stöhnte und sah mich an. »Mir geht heute einfach alles schief. Hatten Sie auch schon mal so einen Tag? Man ärgert sich grün und blau – und seine Mitmenschen auch. Tut mir leid, Sie angerempelt zu haben. Wenn ich es mir leisten könnte, würde ich Ihnen den Schaden ersetzen.«
»Vergessen Sie es«, erwiderte ich. »Darf ich Ihnen einen ausgeben?«
Seine Augen wurden groß wie Tennisbälle. »Das nenne ich Größe«, sagte er begeistert. »Ich nehme Ihre Einladung aber trotzdem an.«
Die Männer, mit denen er sich unterhalten hatte, verließen das Lokal – wohl, um einem Erstickungstod zu entgehen.
Ich winkte dem Wirt, und mein Nachbar verlangte. »Lager. Groß.« Das war nach dem Geschmack des Dicken. Die Arbeit freute ihn gleich mehr.
»Meine Geldbörse leidet an chronischer Schwindsucht«, sagte meine Nachbar. »Wenn ich für
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