172 - Der Spinnenfürst
auf, unbewaffnet herauszukommen. Er war mit einer Prostituierten zusammen und nahm sie als Geisel. Er drohte, das Mädchen umzubringen, wenn man ihm nicht freien Abzug zusichern würde. Scharfschützen waren postiert, und als er mit dem verstörten Mädchen herauskam, schalteten sie ihn aus. Er kam nicht dazu, den Finger am Abzug seiner Waffe zu krümmen.«
»Auch er wurde eingegraben und wenig später wieder ausgegraben«, sagte Tucker Peckinpah. »Und es ging weiter mit dem sechsfachen Mädchenmörder Leon Hogg.«
Von Hoggs mißlungenem Überfall auf Megan Marshall hatte ich ebenfalls gelesen. Daß auch seine Leiche gestohlen worden war, war mir jedoch neu.
»Er wurde letzte Nacht ausgegraben«, informierte mich Tucker Peckinpah, »von Eugene Cooper und Ian Roper. Man fand ihre Leichen heute morgen auf dem St. Alban Cemetery beim offenen, leeren Grab. Auf dem Werkzeug befinden sich ihre Fingerabdrücke. Jedesmal, wenn eine Leiche ausgebuddelt worden war, hatten Cooper und Roper plötzlich Geld, deshalb nehme ich an, daß sie auch Richardson und Montell aus der Erde geholt haben.«
»Für die Hölle, wie es scheint«, sagte ich. »Und als die schwarze Macht sie nicht mehr brauchte, brachte sie sie für immer zum Schweigen.«
»Das ist eine mögliche Version, es könnte aber auch anders gelaufen sein. Sie sollten Licht in dieses Dunkel bringen, Tony, und vor allem sollten Sie herauszufinden versuchen, wohin die Leichen von Montell, Richardson und Hogg verschwanden. Da könnte irgend jemand etwas ganz Gemeines vorhaben. Wir sollten dem einen Riegel vorschieben.«
Das sah im Augenblick so gut wie unmöglich aus, aber ich traute mir zu, das zu ändern. Ich brauchte nur genügend Zeit zur Verfügung.
***
Courtney Yates hatte Leon Hoggs Leiche in sein Haus gebracht und seine Totenkiste neben die Särge gelehnt, in denen sich Timothy Montell und Allan Richardson befanden.
Yates sah das ganze als Rettungsaktion an, die so geheim wie möglich bleiben sollte. Montell, Richardson und Hogg waren Männer, die es in den Augen der Hölle wert waren, weiterzuleben, und auf dieses Weiterleben bereitete sie Courtney Yates im Keller seines Hauses vor.
Courtney Yates beherrschte die schwarze Magie virtuos, deshalb hatte es für ihn von Anfang an keine Zweifel gegeben, daß er den Toten helfen konnte.
Er wollte sie mit Kräften ausstatten, über die sie in ihrem ersten Leben nicht verfügt hatten, und sie später, zu einem Zeitpunkt, den er erst noch festsetzen mußte, wieder auf die Menschheit loslassen.
Grausamer, härter und gnadenloser würden sie weitermachen und der Hölle zu Achtung und Respekt verhelfen. Das war das Ziel, das sich Courtney Yates gesteckt hatte und an dessen Verwirklichung er arbeitete.
So lächerliche Würmer wie Cooper und Roper durften sich ihm nicht in den Weg stellen, sonst zertrat er sie.
Der Keller war groß und trocken, die Wände bestanden aus weiß getünchten Ziegelsteinen. Ein riesiges Bild hing an der Wand, die sich den Särgen gegenüber befand.
Yates hatte es von einem dämonischen Künstler schaffen lassen. Es zeigte einen großen Blutsee, aus dem eine fahle Hand senkrecht emporragte.
Die Hand war riesig, die Finger nicht ausgestreckt, sie schirmten eine häßliche Teufelsfratze ab, aus deren Maul Blut tropfte. Aus dem Handrücken ragten widerlich behaarte Spinnenbeine, acht an der Zahl.
Es war die Spinnenhand des Satans, wie sie Courtney Yates in der vergangenen Nacht auf dem Friedhof entstehen ließ, um Eugene Cooper und Ian Roper zu bestrafen.
Die Magie, derer er sich zu bedienen wußte, hätte dazu allerdings nicht ausgereicht. Er bezog zusätzliche Kräfte von diesem mysteriösen Dämonengemälde.
Jedesmal, wenn er vor das Bild trat, spürte er, wie schwarze Kräfte in ihn drangen und ihn magisch aufluden, und mit Hilfe dieser Kräfte sollten auch Montell, Richardson und Hogg ins Leben zurückgeholt werden.
Montell war der Strahlung des Gemäldes am längsten ausgesetzt, das zeigte bereits Erfolg: Der Gangsterboß lebte wieder, allerdings war er noch nicht soweit, wie ihn Yates haben wollte, deshalb »bewahrte« er ihn vorläufig noch in seinem schwarzen Prunksarg mit den blitzenden Messingbeschlägen auf.
Burt Farrar hatte keine Kosten und Mühen gescheut, um Montell einen würdigen Abgang zu bescheren. Er selbst hatte den pompösen Sarg ausgesucht – in dem Timothy Montell lebend seiner Rückkehr harrte.
Im zweiten Sarg, einer weit weniger noblen Totenkiste aus
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