172 - Der Spinnenfürst
»Scheint so, als würden Sie mir doch nicht so ganz trauen.«
»Das hat nichts mit Ihnen zu tun, Tony, ehrlich. In meinen Kreisen ist es ein Prinzip, niemals alle Trümpfe aus der Hand zu geben, egal, wie sehr man einem Kumpel auch vertraut.«
»Ich nehme es Ihnen nicht übel, Dennis«, sagte ich freundlich. »Wir sehen uns um 18.30 Uhr. Hoffentlich finde ich Sie in der dicken Rauchsuppe.«
»Keine Sorge, ich mache mich schon bemerkbar.«
»Wie hält das Ihre Lunge bloß aus, Dennis?«
Er lachte. »Wieso denn Lunge? Ist es Ihnen nicht aufgefallen? Ich bin Kiemenatmer.«
***
Die Bar hatte 20 Stunden täglich geöffnet, befand sich im Zentrum von Soho und war ein getarnter Stützpunkt jener Gang, die Timothy Montell über viele Jahre hinweg aufgebaut hatte.
Anfangs hatte Montell hart zu kämpfen. Er strebte die Vormacht in der Londoner Unterwelt an, und dagegen waren selbstverständlich eine ganze Menge Leute.
Mit viel Verhandlungsgeschick verstand es Montell, sich mit der Konkurrenz zu verbünden, so daß er es sich erlauben konnte, jenen, die er nicht auf seine Seite bekam, den Boden unter den Füßen wegzuziehen.
Unnütze Gewalt hatte er damals verabscheut und seinen Männern verboten, sie anzuwenden, denn das hätte die Polizei auf den Plan gerufen, und mit der wollte Montell aus verständlichen Gründen so wenig wie möglich zu tun haben.
Es war ein langer, dorniger Weg gewesen, den Timothy Montell gegangen war, etliche Rückschläge mußte er verkraften, und schließlich mußte er die Erfahrung machen, daß es zwar schwierig war, nach oben zu kommen, daß es aber noch viel kräfteraubender war, sich oben zu halten.
Ständig war gegen ihn intrigiert worden, wobei nicht so sehr er gemeint war als die Position, die er innehatte. Manchmal mußte er mit Klauen und Zähnen um die Vormachtstellung kämpfen. Mit der Zeit lernte er, wie man es anstellen mußte, daß man stets obenauf schwamm wie das Fettauge auf der Suppe.
Daß ihm aus den eigenen Reihen die größte Gefahr drohte, hätte er nicht gedacht, noch dazu von einem Mann, den er aufgebaut, den er wie einen Bruder geliebt hatte.
Burt Farrar hatte ihn brillant getäuscht. Nie im Leben wäre er auf die Idee gekommen, ihm zu mißtrauen. Er hatte keine Angst und keine Geheimnisse vor Burt.
Burt wußte alles, und in vielen Bereichen gewährte er ihm totale Entscheidungsfreiheit, weil er wußte, daß Burt die Geschäfte ebenso gut führte wie er.
Zu spät hatte er erkannt, daß Burt vom Ehrgeiz zerfressen war und seinen Machtbereich immer mehr vergrößerte. Er war so naiv gewesen, anzunehmen, Burt wollte ihn so umfassend wie möglich entlasten. In Wahrheit war Burt Farrar drauf und dran, sich die Gang anzueignen.
Immer häufiger kam es vor, daß man mit Fragen nach wichtigen Entscheidungen nicht Montell »behelligte«, sondern sich an Farrar wandte.
Nach außen hin war es noch die Montell-Gang, aber geleitet wurde sie größtenteils von Farrar. Aber das genügte dem ehrgeizigen Mann noch nicht.
Er konnte sich nicht damit abfinden, seinen Namen erst an zweiter Stelle zu sehen. Alles, was er getan hatte, zielte auf eine Machtübernahme ab, die Montell nicht überleben durfte, denn ein gestürzter Timothy Montell hätte sich umgehend auf einen Gegenschlag vorbereitet, und dazu wollte Farrar es nicht kommen lassen.
Deshalb wartete er in der Tiefgarage des Apartmenthochhauses, in dem der Boß wohnte, auf ihn.
Sie wechselten nur wenige Worte.
Montell sagte: »Was tust du denn hier, Burt?«
Farrar antwortete nervös: »Ich habe auf dich gewartet.«
»Hast du irgendein Problem?«
»Ein ziemlich großes sogar«, gab Farrar zu, »aber ich werde damit fertig.« Er zog die Hand aus der Manteltasche und ließ die lange Klinge eines Springmessers aufschnappen. Montell griff zum Revolver – zu spät!
Tödlich verletzt brach er zusammen und starb einige Minuten später allein, denn Burt Farrar hatte sich eilig aus dem Staub gemacht.
All das wußte Timothy Montell in seinem zweiten Leben immer noch, nie würde er es vergessen. Was ihm Farrar angetan hatte, schrie nach Vergeltung, und er war ihm schon sehr nahe.
Kitty, eines der Animiermädchen, trippelte in hochhackigen Stiefeln die Straße entlang. Montell versteckte sich rasch in einer Hauseinfahrt.
Kitty ging an ihm vorbei, ein dünnes Fähnchen am Leib.
Kitty war toll gebaut. Sie verdiente mit ihrem hübschen Gesicht und dem sexy Körper eine Menge Geld, aber sie schaffte es nicht, die Kröten
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