1720 - Die Nacht der Voodoo-Queen
knappen Blick zuwarf, da sah ich, dass sie ihre Schultern anhob und mir mit dieser Geste zu verstehen gab, keine Waffen zu besitzen.
»Geh zurück und nimm Mandy mit!«, rief ich ihr zu. »Sucht euch eine Deckung.«
Ob sie das taten, sah ich nicht mehr, denn ich musste mich um die Skelette kümmern.
Ich spielte dabei mit dem Gedanken, auf sie zu schießen. Geweihte Silberkugeln würden sie bestimmt vernichten, die aber wollte ich hier nicht vergeuden, denn es gab noch eine andere Möglichkeit.
Noch hing das Kreuz vor meiner Brust. Sekunden später nicht mehr, da hielt ich es in der Hand.
Es war für mich kein großes Risiko, mich den Skeletten zu stellen, da sie noch immer keine Waffen zeigten. Allerdings griffen die Knochenhände nach mir. Von ihnen berührt zu werden war nicht weiter tragisch, ich wollte es trotzdem nicht so weit kommen lassen, tauchte darunter hinweg und sah dicht vor mir einen gelblichen Totenschädel. Alles ging blitzschnell. Jetzt, in unmittelbarer Nähe des Schädels, fiel mir auf, dass die Augenhöhlen doch nicht so leer waren. Tief in ihnen sah ich dieses blaue Licht als einen schwachen Schein.
Dann traf das Kreuz auf den Schädel!
Es war der Anfang vom Ende. Ich verspürte noch so etwas wie einen Stromstoß, der mich aber nicht weiter irritierte. Dafür explodierte etwas tief in den Pupillenschächten der Knochengestalt, und diese Explosion löschte ihre Existenz auf.
Jetzt hätte ich zufassen, aber nichts mehr packen können. Es sei denn, ich hätte mir den Staub auf den Handteller rieseln lassen, was ich nicht tat, dafür einen Schritt zurückging und zusah, wie der Staub zu Boden rieselte.
Gefühlt hatte die Vernichtung des Skeletts länger gedauert, tatsächlich aber waren es nur wenige Sekunden gewesen.
Ich konnte mich dem zweiten Gegner zuwenden. Er fiel gegen mich. Es war einer, der kein Musikinstrument trug und deshalb seine Hände frei hatte.
Er fiel nicht nur gegen mich, sondern auch gegen das Kreuz, und dessen Kraft sorgte für seine Vernichtung.
Auch einen dritten Fleischlosen schaffte ich. Der griff mich allerdings nicht an. Ihm musste ich nachlaufen, weil er verschwinden wollte. Er torkelte auf die Wiese in der Nähe zu, nur erreichte er sie nicht mehr, weil ich schneller war.
Diesmal wurde ich Zeuge, wie die Gestalt im Laufen zusammensackte und so aussah, als würde der Staub von einer leichten Windbö erfasst und nach vorn getrieben.
War’s das?
Im Moment ja, denn ich sah keinen Gegner mehr in der Nähe. Als ich mich umdrehte, fiel mir nur Suko auf, der ebenfalls keinen Feind mehr vor sich hatte. Er hielt beide Arme in die Höhe gestreckt und präsentierte dabei seine Peitsche.
Wir hatten gewonnen und konnten uns als Sieger fühlen.
Nicht weit entfernt standen die beiden Frauen zusammen. Mandy Hill litt noch immer unter einer höllischen Angst, sie klammerte sich an der Voodoo-Queen fest. Die hatte den Kopf gedreht und sah mich an.
Ich wollte sie durch mein Nicken beruhigen und kümmerte mich zunächst um Suko. Er grinste schief und hielt seine Peitsche hoch.
»Es war leichter, als ich es mir vorgestellt habe. Widerstand gab es keinen.«
»Bei mir auch nicht.« Ich deutete auf den Staub, der überall am Boden lag.
»Aber harmlos waren sie auch nicht. Wären wir nicht bewaffnet gewesen, hätte es anders ausgesehen.«
Dem konnte ich nicht widersprechen. Jedenfalls hatten wir einen ersten Erfolg gegen Matthias errungen und konnten uns gegenseitig auf die Schulter klopfen.
Das taten wir natürlich nicht. Stattdessen schauten wir auf die beiden Frauen, die sich auf uns zu bewegten. Mandy Hill hielt die Hand der Voodoo-Queen fest, denn nur so fühlte sie sich beschützt. Trotz der Dunkelheit sahen wir, dass ihr Blick flackerte, so ganz war ihre Furcht also noch nicht vorbei.
»Ich gratuliere«, sagte Marietta. »Dass es so schnell gehen würde, hätte ich nicht gedacht. Jetzt muss wohl niemand mehr in diesem Ort Angst vor irgendwelchen lebenden Toten haben.«
»Das stimmt«, sagte ich.
Dann stellte sie eine Frage, mit der ich gerechnet hatte. »Und was ist mit Matthias?«
»Den werden wir uns jetzt vornehmen.«
Davon war ich überzeugt, sah aber dann, wie Marietta langsam den Kopf schüttelte und sich auch ihr Blick eintrübte. »Was hast du?«
»Das geht nicht mehr«, flüsterte sie.
»Aha. Und warum nicht?«
»Weil Matthias verschwunden ist …«
***
Das war eine Antwort gewesen, die man auch mit einem Tritt in die Magengrube vergleichen
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