1722 - Flucht in die Finsternis
sich, was kein Wunder war, aber ihr Lächeln war echt. Ebenso wie die Worte zur Begrüßung.
»Ich freue mich, Sie zu sehen. Jean hat einiges von Ihnen erzählt. Ist es nicht schrecklich, was hier los ist?«
»Ja, das ist es«, gab ich zu. »Aber ich denke, dass wir das Problem lösen können.«
»Das hoffe ich.«
Jean deutete auf zwei Sessel. »Bitte, nehmt doch Platz. Ich habe auch Getränke kalt gestellt und wenn ihr etwas essen möchtet, dann …«
»Nein, nein!« Ich winkte ab. »Machen Sie sich bitte keine Umstände.«
»Wenn Sie doch etwas …«
»Ja, dann kommen wir darauf zurück.«
Ich setzte mich auch nicht, sondern ging zum Fenster. Dort hing bis auf halber Höhe eine weiße Gardine, die wie eine Wolke wirkte. Um hinausschauen zu können, musste ich sie nicht erst anheben.
Mein Blick streifte durch die Gegend, die wir bereits mit dem Rover abgefahren waren. Auch den sah ich, und erneut fiel mir der gelbe Fiat 500 auf.
Da der Tag nicht eben kalt gewesen war, hielten sich noch einige Leute im Freien auf. Es waren mehr, als wir gesehen hatten. Es wurde noch immer Gras geraucht, aber das war nicht unsere Sache. Wir warteten auf die Halbvampire und hofften natürlich auch, endlich Olivia Peck zu sehen.
Jean Katanga stand neben mir und schaute ebenfalls ins Freie. »Das ist keine Umgebung für Sie, oder?«
»Tja, für Sie denn, Jean?«
»Nein, eigentlich auch nicht. Suzie und ich waren damals nur froh, eine Bleibe gefunden zu haben. Irgendwie haben wir uns daran gewöhnt. Zudem habe ich mich hier ein wenig engagiert, man hat zu mir Vertrauen, und ich habe schon einiges richten können.«
»Was machen Sie beruflich?«
»Eigentlich nichts. Ich habe keinen festen Job gefunden. Ich bin allerdings ein recht guter Drummer. Da gibt es einige Leute, denen ich Unterricht erteile, davon leben wir. Zudem putzt meine Frau in einem Großraumbüro. So kommen wir einigermaßen über die Runden. Besser als die meisten hier, behaupte ich.«
»Und wie war Ihr Verhältnis zu Olivia Peck?«
»Wir kannten uns.«
»Sonst nichts?«
»Genau.«
Ich sah wieder nach draußen. Auf den ersten Blick hatte sich vor dem Haus nichts verändert, aber von der rechten Seite her und noch hinter den geparkten Wagen näherten sich vier Personen. Sie fielen mir deshalb auf, weil sie dicht beisammen blieben.
Jean Katanga hatte sich umgedreht, weil er mit seiner Frau sprach, die im Sessel saß.
»Kennen Sie die Leute da?«
Er drehte sich um. »Welche meinen Sie?«
»Da, diese vier.« Ich nickte in die entsprechende Richtung und schaute dann zu, wie sich Katanga anstrengte, um die Personen besser sehen zu können. Hätte es intakte Laternen gegeben, wäre das alles kein Problem gewesen, so dauerte es einige Sekunden, bis er nickte.
»Ja, die kenne ich.«
»Dann wohnen sie hier?«
»Genau.«
Uns hatte auch Suko gehört, der inzwischen bei uns stand und sagte: »Das sind zwei Frauen und zwei Männer.«
»Finden Sie das unnormal?«
Suko drehte Jean sein Gesicht zu. »Was ist schon normal oder nicht. In diesem Fall müssen wir eben auf der Hut sein.«
»Sie wohnen jedenfalls alle hier. Probleme hat es mit ihnen noch nicht gegeben. So etwas weiß ich. Siehe Alf.«
Ich sagte nichts und schaute zu, wie sich das Quartett nach links wandte und auf das Haus zukam. Es sah so aus, als würden sie schlendern, aber nur beim ersten Hinsehen. Schaute man genauer nach, und das tat ich, dann fiel mir auf, dass sie schon ein wenig staksig gingen und auf keinen Fall locker waren.
Dann gingen sie auf die Haustür zu. Niemand sprach oder machte sie an. Sie wohnten hier und das wurde akzeptiert.
Wenig später waren sie verschwunden. Ich blieb nicht an meinem Platz stehen, sondern drehte mich um und trat ins Zimmer. Suzie Katanga saß noch immer in ihrem Sessel. Sie wirkte angespannt und schaute ins Leere. Auf ihrer Oberlippe lag ein dünner Schweißfilm, die Hände hatte sie zu Fäusten geballt.
Ich lächelte ihr zu. »Alles in Ordnung?«
»Nein, ich habe Angst.«
»Das müssen Sie nicht haben. So wie die Dinge laufen, sieht es ganz gut aus.«
»Das kann ich nur hoffen. Wissen Sie, Mister Sinclair, es ist schlimm, in einem Haus wie diesem zu leben. Man tut ja sein Bestes, was die Wohnung angeht. Wir können uns nicht beklagen, denn wir haben ein kleines Schlafzimmer, eine winzige Küche und einen Raum für die Toilette. Andere haben das nicht. Sie müssen ihre Notdurft auf den Toiletten im Flur verrichten. Ich will eigentlich nur raus
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