1725 - Hängt die Hexe höher
Körper, da konnte man schon von einer zweiten Haut sprechen. Der Ausschnitt war entsprechend tief und zeigte eine viereckige Form. Die Brüste wurden in ihn hineingedrückt, und wer sie sah, bekam Herzklopfen und wünschte sich, mit dieser Frau ins Bett zu gehen.
Sie war schön und auch grausam. Sie ernährte sich vom Blut der Menschen, und sie war keine Wiedergängerin, die sich am Tag verstecken musste, denn das Sonnenlicht machte ihr nichts aus. Sie zu besiegen war mehr als schwer. Das hatte ich erlebt, als sie noch auf unserer Seite gestanden hatte. Das war jetzt vorbei. Wir waren Feinde, denn wir standen uns im Weg.
»Dein Pech, John, dass du dich vor einen Karren hast spannen lassen, den du nicht ziehen kannst. Du weißt, dass ich besser und konsequenter bin. Aber ich weiß auch, dass du mir Probleme machen kannst, trotz allem, deshalb ist es gut, dass wir klare Verhältnisse schaffen …«
Was sich so harmlos anhörte, war so etwas wie Sprengstoff in Watte verpackt. Sie würde nicht wollen, dass ich zu den anderen zurückging. Ich kannte ihre Kräfte, die einem Menschen über waren. Sie war die perfekte Fighterin. Sie war in der Lage, an Wänden hochzugehen oder sich an eine Ecke zu klammern, und wenn sie wollte, würde sie mich mit einem Sprung erreichen.
Ich besaß die Beretta als die eine Waffe, und die wechselte ich schnell in die linke Hand, um mit der jetzt freien Rechten mein Kreuz aus der Tasche zu ziehen.
Es gab eine Reaktion. Aber nicht bei ihr, sondern bei den Halbvampiren, die sie umstanden. Sie zuckten zusammen, einige wichen zurück, andere stießen Flüche aus.
Die Cavallo breitete ihre Arme aus. »Keine Panik, John, es ist alles okay. Du brauchst deine Formel nicht zu rufen, denn du solltest daran denken, dass ich dich verschont habe. Ich hätte dich auch töten können. Das habe ich nicht getan und dich zu Boden geworfen. Eigentlich müsstest du mir dankbar sein.«
Es war reiner Hohn, aber es stimmte. Sie hätte mich töten können, aber ich wusste auch, dass sie das Spiel mit dem Feuer liebte und Menschen gern nach ihrer Pfeife tanzen ließ, bevor sie deren Blut trank oder sie einfach nur so tötete.
Mein Kreuz war eine Waffe. Ich spielte auch mit dem Gedanken, es zu aktivieren und sie in einer Lichtwolke zu zerstören. Gegen die Kraft des Kreuzes war schwer anzukommen, das war mir schon Hunderte Male bewiesen worden.
»Na, John, was ist? Ich warte. Du kannst die Formel rufen, es macht mir nichts. Ich bin immer schneller, denn es dauert einige Zeit, bis du sie ausgesprochen hast. Das solltest du nicht vergessen.«
Das traf leider zu. Ich focht einen innerlichen Kampf aus. Bisher war es noch zu keiner Eskalation gekommen. Ich sah, wie der Blick der Blutsaugerin an meinen Lippen hing. Sobald ich mich bewegte oder etwas sagte, würde auch sie reagieren. Es gab zwar eine Distanz zwischen uns, die aber war für Justine Cavallo lächerlich. Sie brauchte sich nicht mal anzustrengen, um sie mit einem Satz zu überwinden.
Ich nickte und ließ die Hand langsam sinken. Wohl fühlte ich mich nicht dabei, doch ich dachte daran, dass es bestimmt bessere Chancen für mich geben würde.
Justine nickte. »Sehr gut«, lobte sie. »Es ist immer gut, wenn jemand seine Grenzen erkennt.«
»Stimmt. Aber es ist noch nicht das Ende!«
»Genau. Vor uns liegt eine Nacht.« Sie fing plötzlich an zu lachen. »John Sinclair als Beschützer der Hexen. Das ist völlig neu. Super, welchen Weg du eingeschlagen hast.«
»Der sollte dir nicht neu sein. Schließlich hast du lange Zeit bei Jane Collins gewohnt.«
»Ja, und sie hat sich geärgert, weil sie nichts dagegen tun konnte. Sie steht ebenfalls auf meiner Liste. Irgendwann werde ich sie besuchen und ihr Blut trinken. Das weiß sie auch. Aber sie kennt den Zeitpunkt nicht. Na, so wird sie weiterhin in Angst leben. Das bin ich ihr einfach schuldig.«
»Schuldig?«, höhnte ich.
»Ja, denn ich sehe das anders. Ich kann sie unsterblich machen. Das ist es doch, wovon die Menschen träumen, und ich denke, dass sie mir dankbar sein wird.«
Ich hatte alles verstanden, aber ich wollte mich auf keine weiteren Diskussionen einlassen. Leider hatte sie recht, und ich wusste auch, dass es Janes Trauma war, obwohl sie eigentlich nie darüber redete und ihr Leben so normal wie möglich weiterführte.
»Ja, John, ich bin ihr Schicksal. Wir sind nach wie vor verbunden, auch wenn sich die Zeiten geändert haben und ich nicht mehr bei ihr lebe. Irgendwann bin ich da
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