1725 - Hängt die Hexe höher
anschaue. Das ist die Lösung. Zumindest hoffe ich das.«
»Du kannst es versuchen.«
»Wenn wir es schaffen, Grace Golding davon zu überzeugen, ist schon viel gewonnen, denn sie hat den entsprechenden Einfluss auf ihre Freundinnen.«
»An deinen Plan glaube ich zwar nicht, aber wir sollten nichts unversucht lassen.«
»Dann komm.«
Ich wollte gehen, doch Jane hielt mich zurück. »Lass mich zuerst mit ihnen sprechen, John.«
»Wie du willst.«
Ich blieb zurück, während sich Jane zu den Hexen gesellte. Ich konnte nur hoffen, dass auch die Frauen erkannten, in welcher Gefahr sie sich befanden …
***
Etwa zehn Minuten später standen wir vor der Seitentür des Wohnmobils. Grace Golding, Jane und ich. Die Hexe hatte schon eine Hand auf die Klinke gelegt und sprach mich an.
»Ich weiß zwar noch immer nicht, was es bringen soll, wenn Sie sich unsere tote Schwester ansehen, aber ich will nicht als unkooperativ dastehen.«
»Darüber reden wir dann später.«
»Das hat Jane schon getan. Und sie hat uns nicht überzeugen können.«
Ich hatte es befürchtet, behielt es aber für mich, weil ich erst alle Karten auswerten wollte.
Grace Golding öffnete die Tür des Wohnmobils. Sie betrat den Wagen als Erste.
Jane zupfte an meinem Ärmel. »Keine Chance, John. Sie lassen sich nicht überzeugen.«
»Trotzdem müssen wir alles versuchen.«
Im Wagen war das Licht eingeschaltet worden. Mich empfing eine muffig riechende Luft. Ich sah an verschiedenen Stellen Kerzen stehen, schaute auf Bilder mit geheimnisvollen Naturmotiven und sah, wie Grace Golding einen Vorhang zur Seite schob.
Auch dahinter war es hell. So blickten wir auf die Person, die in einem schmalen Bett bekleidet auf dem Rücken lag. Trotzdem mussten wir nicht besonders intensiv nachschauen, um die Wunden an ihrem Körper zu sehen. Es floss kein Blut mehr aus ihnen. Sie waren verkrustet oder verschorft.
Ich hatte mich über die Tote gebückt. Das Licht reichte mir nicht aus, deshalb nahm ich meine Lampe zu Hilfe und leuchtete sie an verschiedenen Stellen an.
Ja, das waren die Wunden, die von Messern oder ähnlich scharfen Gegenständen hinterlassen worden waren.
Auch Jane sah sie, denn sie stand direkt neben mir und sie gab auch ihren Kommentar ab.
»Halbvampire.«
»Und davon haben wir sieben plus Justine Cavallo. Verdammt, das kann nicht gut ausgehen. Ich weiß auch nicht, ob die Zeit für eine Flucht ausreicht, aber besser jetzt als gar nicht.«
»Damit kommst du nicht durch John. Die Frauen fühlen sich stark. Und gerade in dieser Nacht.«
»Ja, in der sie hängen sollen.«
»Ich kann daran nichts ändern.«
Mein Nicken fiel leicht deprimiert aus. Gesehen hatte ich genug, und deshalb richtete ich mich auf, nachdem ich meine Lampe ausgeschaltet und weggesteckt hatte.
»Lass uns gehen …«
Grace Golding hatte im Hintergrund gewartet. Als sie sah, dass wir gehen wollten, versperrte sie uns den Weg.
»Und?«, fragte sie.
Ich nickte ihr zu. »Es ist wirklich besser, wenn Sie alle sofort von hier verschwinden. Wenn Sie sich den Körper Ihrer Freundin genau angesehen haben, dann werden Sie erkannt haben, dass ihn zahlreiche Wunden bedecken. Sie wurden der Frau beigebracht, um sie ausbluten zu lassen. Gewisse Personen haben sich daran gelabt und Ihre Freundin anschließend gehängt.«
»Das weiß ich.«
»Und? Sollte Ihnen das nicht Warnung genug sein?«
Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »Sie vergessen eines, Mr Sinclair. Unsere Freundin ist allein gewesen, als man sie überraschte. Das wird uns hier nicht passieren. Wir bleiben zusammen, und wir werden uns wehren.«
Ich schüttelte den Kopf. Es war nicht zu begreifen, und das sagte ich ihr auch.
»Wir haben es hier nicht nur mit einem Täter zu tun. Auch die Gegenseite besteht aus einer Gruppe, und sie wird von einer Unperson angeführt, gegen die wir kaum eine Chance haben. Sie wollen doch weiterhin am Leben bleiben. Deshalb ist es besser, wenn Sie die Flucht ergreifen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
Grace schaute mich an. Der leicht arrogante und überhebliche Ausdruck in ihrem Gesicht war nicht zu übersehen. »Noch mal, Mr Sinclair. Diese Nacht gehört uns. Uns ganz allein. Wir sind die Hexen. Für uns wurde sie gemacht. Über das ganze Jahr hinweg haben wir uns darauf vorbereitet, und keine von uns denkt daran zu fliehen. Im Gegenteil, die nächsten Stunden werden uns neue Kräfte geben. Davon sind wir alle überzeugt.«
Was konnte ich da noch sagen? Nichts. Diese
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