1725 - Hängt die Hexe höher
zurück.
Ich fuhr in die Nähe des Friedhofs und dachte daran, dass man auf dem Gelände die tote Hexe gefunden hatte. Friedhöfe und Vampire passten zusammen. Aber auch Friedhöfe und Halbvampire. Da gab es wohl keine großen Unterschiede. Deshalb war ich optimistisch, als ich anhielt.
Bis zum Eingang waren es nur wenige Schritte. Eine Türhälfte stand offen, und als ich den Friedhof betrat umgab mich die übliche stille Umgebung. Ich hörte nur das leise Flüstern der Blätter, die der Wind bewegte. Die Toten konnten nicht mehr sprechen, doch wer viel Fantasie aufbrachte, hätte dieses Geräusch als Flüstern der Geister der Verstorbenen ansehen können.
Ich hatte kein besonderes Ziel und wollte mir nur einen Überblick verschaffen. So schlenderte ich über das Gelände, schaute mir die Gräber an, auch die Grabsteine, las Namen, vergaß sie wieder und ging auch über die schmalen Wege.
Ich war allein, und ich blieb allein. Niemand begegnete mir, und das hätte meine Hoffnung schmälern können, tat es aber nicht. Mein Gefühl sagte mir, hier richtig zu sein.
Am Himmel hatte sich etwas verändert. Seine Bläue war verschwunden. Von Westen her trieb der Wind weiße und graue Wolkenschiffe vor sich her, die sich auf dem gewaltigen Firmament verteilten.
Ich hatte das Ende erreicht und machte mich wieder auf den Rückweg. Meine Hoffnung war immer noch nicht gesunken. Jetzt schaute ich mir die andere Hälfte des Geländes an, die nicht anders aussah.
In den kleinen Orten wurden die Gräber der Verstorbenen noch gepflegt, was in den großen Städten nicht immer der Fall war. Hier konnte man nichts kritisieren.
Niemand kam mir entgegen. Ich blieb allein mit der Natur, den Toten, den Grabsteinen und manchen Figuren, die auf den Gräbern standen. In der Regel waren es Engel oder Heilige, die verschiedene Posen eingenommen hatten, wobei ihre Gesichter allesamt in den Himmel gerichtet waren, weil sie von dort Erlösung erwarteten.
Ich befand mich noch immer auf einem Seitenweg und wollte ihn schon verlassen, um den Hauptweg zu betreten, als mir etwas auffiel, das ich bei meiner Ankunft übersehen hatte.
Es war das graue Gebäude mit dem Kreuz auf dem Dach. Eine aus Stein gebaute Halle, in der auch die Trauerfeiern abgehalten wurden. Daneben sah ich noch einen Bau, der kleiner war und Ähnlichkeit mit einem Schuppen hatte.
Etwas trieb mich dorthin. Ich passierte das große Gebäude und sah gleich darauf die graue Tür, die der Eingang zur Leichenhalle war. Es gab ein Fenster neben der Tür, und ich wollte einen Blick in das Innere werfen.
Das war nicht möglich, weil das Glas zu schmutzig und verklebt war.
Blieb der normale Eingang. Das Holzviereck hing schief in den Angeln. Ich sah eine alte Klinke, die lose in ihrem Verbund hing. Daran musste ich einfach nur ziehen, um die Tür zu öffnen.
Kein Problem.
Und doch wurde es eins.
Ich erlebte die Warnung durch mein Kreuz, das in meiner Jackentasche steckte und das ich kurz angefasst hatte.
Die leichte Erwärmung ließ sich nicht wegdiskutieren. Sie war da, und ich war gewarnt. Mir schoss durch den Kopf, dass dieses kleine Haus für die Aufbewahrung von Leichen ideal war. Aber auch als Versteck eignete sich der Bau.
Ein Zurück gab es nicht mehr.
Noch mal kurz Luft geholt, dann zog ich an der Tür und zerrte sie auf.
Holz kratzte über Gestein. Staub wurde aufgewirbelt. Alte Spinnennetze zerrissen, ich hatte einen freien Blick, weil mit dem Öffnen der Tür auch Licht in den Bau fiel.
Meine Augen weiteten sich.
Denn was ich hier sah, das hätte ich kaum für möglich gehalten …
***
Sie waren da.
Sie hockten auf dem Boden, lehnten mit dem Rücken an den Wänden und schauten allesamt auf die Eingangstür, die ich geöffnet hatte und auf deren Schwelle ich stand.
Normale Menschen?
Ja, sie sahen wie welche aus. Sie hätten ihre Münder öffnen können, ohne dass ich irgendwelche spitzen Vampirhauer gesehen hätte. Aber ich sah die Blicke auf mich gerichtet, und in ihren Augen sah ich nur die Kälte. Es waren Blicke, die nichts Menschliches mehr an sich hatten, und ein jeder sah wohl in mir seine Nahrung.
Hier also verbrachten sie die Zeit bis zum Angriff und wahrscheinlich auch bis zum Einbruch der Dunkelheit.
Zwar hatte ich mit ihnen gerechnet, aber ich hatte bei meinem Eintreten nicht gezählt, um wie viele Gestalten es sich handelte. Jetzt schaute ich sie mir genauer an und kam auf die Zahl sieben. Die Sieben hat eine magische Bedeutung, das war
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