1728 - Luzifers Botin
zu.
Eine wie sie starb nicht. Sie wurde vernichtet, und das hatte er getan.
Nach einem tiefen Atemzug richtete sich Raniel wieder auf – und merkte, dass so etwas wie ein Schatten über ihn fiel, sodass er gezwungen war, den Kopf in den Nacken zu legen und in die Höhe zu schauen.
Der Schatten war eine Gestalt. Sie nahm sein ganzes Blickfeld ein. Er konnte nichts anderes sehen als nur Lilith, und er kam sich plötzlich sehr klein vor…
***
Es war keine Feigheit von mir gewesen, dass ich nicht eingegriffen hatte, ich hatte erlebt, wie Raniel sich verteidigen konnte. Auch wenn es nicht danach ausgesehen hatte, aber er war plötzlich der Sieger gewesen, und Jamila lag kopflos am Boden.
Auch an mir war dieser Kampf nicht spurlos vorübergegangen. Ich stand unter einem Eindruck, den ich als einen gewaltigen Stress empfand. Nur allmählich beruhigte sich mein Herzschlag, doch ein Glücksgefühl stieg in mir nicht hoch.
Es war noch nicht vorbei. Zwar gab es keine Jamila mehr, doch diese Unperson hatte einfach zu viele Unterstützer, die Zeuge des Kampfes geworden waren.
Da musste ich nur in die Höhe schauen, denn das Bild dort war nicht zu übersehen. Meine Todfeindin herrschte dort. Lilith war noch da. Sie schien alles im Griff zu haben, sie brauchte nicht einzugreifen und allein ihr Abbild war eine tödliche Drohung.
Das wusste auch Raniel.
Ich stand so, dass ich jede seiner Bewegungen beobachten konnte. Er zeigte sich leicht erschöpft, was bei ihm selten vorkam.
Und Lilith wuchs.
Ob sie tatsächlich größer wurde oder ob es nur so aussah, war nicht genau zu sagen. Es konnte sein, dass ich einer optischen Täuschung erlag, aber ihre Gestalt bildete zugleich einen übergroßen Schatten, der nach unten fiel und den Sieger nicht verschonte.
***
Was würde Raniel tun? Was würde Lilith unternehmen? Und wie musste ich mich verhalten?
Lilith blieb in ihrer Position. Sie zeigte sich in einer schon widerlichen Hässlichkeit. Vielleicht war sie auch so geschaffen worden, während ich sie anders kannte, doch dieses Bild verschwand jetzt aus meinem Kopf.
Sie sah so grausam und höllisch aus. Dieser Vergleich kam mir in den Sinn. Im Gegensatz zu Luzifer, der ein anderes Aussehen hatte. Lilith musste eigentlich nur einem Rachegedanken folgen, eine andere Möglichkeit gab es für mich nicht. Rache für den Tod ihrer Tochter. Ob Raniel gegen sie ankam, war die Frage.
Deshalb brauchte er Hilfe.
Und die konnte er nur von einer Seite bekommen, nämlich von mir. Ich dachte gar nicht erst darüber nach, wie stark und mächtig Lilith war, ich musste mich zeigen.
Und ich besaß das Kreuz!
In diesen Talisman setzte ich all meine Hoffnungen. Darin hatte sich die Macht des Guten manifestiert. Darin hatten die Erzengel ihre Zeichen hinterlassen. Ein mächtiger Seher hatte vor langer Zeit dafür gesorgt, und ich hatte mich immer auf das Kreuz verlassen können, von wenigen Ausnahmen abgesehen.
In diesem Fall würde es zu einer direkten Konfrontation zwischen Gut und Böse kommen, wobei das Böse ein Erbe der Urzeit war, als es auf der Welt noch keine Menschen gegeben hatte, aber der Schlund der Verdammnis bereits funktionierte, denn in ihn hinein waren die Aufrührer gestoßen worden.
Der Gerechte hatte mich nicht gesehen. Er war zu sehr mit sich selbst und dem beschäftigt, was ihn umgab, und so hatte ich freie Bahn. Das Kreuz hing vor meiner Brust. Ich wollte es dort auch hängen lassen und nicht in die Hand nehmen, und ich hoffte, dass Lilith nicht die Stärke besaß, es zu manipulieren, wie es Luzifer mal geschafft hatte.
Dass ich aus der Höhe beobachtet wurde, war mir klar. Nur erlebte ich keine Reaktion. Dafür bewegte ich mich durch eine Stille, die ich als unnatürlich empfand.
Lilith blieb als hässliches Abbild weiter über Raniel und mir, und sie griff nicht ein. Sie ließ es zu, dass ich den Schauplatz betrat.
»Hallo, Raniel…«
Ich hatte nicht laut gesprochen, war aber trotzdem gehört worden. Der Gerechte schrak zusammen und drehte sich dann nach links, um mich anschauen zu können.
Sein Augenausdruck gefiel mir nicht. Er war nicht mehr so klar und hatte auch das Engelhafte verloren.
»Kommst du?«
Er lachte und hob die Schultern. »Ja, vielleicht. Aber es ist noch nicht vorbei.«
»Das weiß ich.«
Er wies in die Höhe. »Siehst du sie?«
»Sie ist nicht zu übersehen.«
Raniel schüttelte den Kopf und winkte zugleich ab. »Ich habe ihr eine Tochter genommen. Sie hat noch mehr davon, das weiß
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