1729 - Totenliebe
Das konnte es sein. Das war eine Möglichkeit. Man würde sie abholen, wegschaffen und…
Meine Gedanken stockten. Ich dachte darüber nach, in welchem Outfit ich die Frauen gesehen hatte. Damit ging man nur selten auf die Straße. Es war recht aufreizend, und ich musste mich nicht besonders anstrengen, um einen Begriff zu finden, an dem ich mich auch festhakte.
Menschenhandel!
In diesem Fall Mädchenhandel. Die jungen Frauen, die sich in diesem Haus befanden, waren unter Drogen gesetzt und willenlos gemacht worden. Sie befanden sich in einem Zustand, in dem sie gar nicht merkten, wenn sie abgeholt und verschleppt wurden. Dafür reichten die Wagen aus, um die menschliche Fracht zu fassen.
Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenzog. Und plötzlich kam ich mir auf verlorenem Posten vor. Da waren sechs Männer, die gegen mich standen. Sie würden über die Außentreppe kommen und brauchten dann nur die Frauen aus den Zimmern zu holen. Es war perfekt eingefädelt, und nur ich würde ihnen im Weg stehen.
Der Gedanke daran war alles andere als angenehm. Er trieb mir den Schweiß auf die Stirn. Ich dachte fieberhaft darüber nach, was ich tun konnte.
Allein nur wenig. Jetzt die Kollegen der Schutzpolizei zu alarmieren, brachte mich auch nicht weiter, denn es gab keine Handhabe. Es war nichts geschehen, und irgendwelche Menschen auf einen Verdacht hin festzunehmen ging nicht.
Wieder schaute ich nach unten.
Der Mann telefonierte nicht mehr. Ich sah, wie er sein Handy wegsteckte. Er ging zu seinen Kumpanen und nickte ihnen zu. Es war das Zeichen für sie, nicht mehr an ihrem Platz stehen zu bleiben. Sie mussten endlich etwas tun.
Sie gingen auf die Treppe zu, die auch ich genommen hatte. Die Stufen kannte ich. Sie waren nicht besonders breit, und so gingen die sechs Männer im Gänsemarsch die Treppe hoch, um sich ihre Beute zu holen…
***
Es war für Glenda so etwas wie ein leichter Schock, dies zu sehen. Hier war eine junge Frau wehrlos gemacht worden, um mit ihr anstellen zu können, was man wollte.
Glenda dachte darüber nach, warum man Elisa in diesen Zustand versetzt hatte. Es war nicht leicht, eine Erklärung zu finden. Man wollte sie wehrlos haben, aber warum? Was hatte man mit ihr vor? War dieses Haus unter Umständen nur eine Zwischenstation, um die Bewohnerinnen später wegzuschaffen?
Es gab keine Antwort für sie, und sie wusste auch nicht, woher sie eine hätte bekommen können. Glenda ging davon aus, dass sich John Sinclair auch im Haus befand. Sie hatten abgesprochen, sich gegenseitig anzurufen, wenn es irgendwelche Probleme gab. Glenda überlegte, ob jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen war, aber da hatte sie ihre Zweifel. John war im Haus unterwegs. Er würde sich woanders umschauen. Sie fürchtete, ihn zu stören und mit einem Anruf einen Fehler zu machen. Deshalb wollte sie noch etwas warten und erst mal versuchen, allein zurechtzukommen.
Vielleicht war es machbar, die Frau aus ihrem Zustand hervorzuholen, dann würde sie weitersehen.
Glenda versuchte es. Sie beugte sich über Elisa und legte ihre Hände auf die Schultern. Sie rüttelte die Frau, schaute dabei in die Augen, die einen so anderen und fremden Ausdruck erhalten hatten, und sie sprach Elisa an.
»Kannst du mich hören, Elisa? Bitte, du musst etwas sagen. Hörst du mich?«
Elisa gab keine Antwort. Ihr Gesicht blieb unbewegt. Auch die Augen bekamen den normalen Blick nicht zurück. Sie sah aus, als würde sie ins Leere schauen. Ein paar unverständliche Worte verließen ihren Mund, und sie war nicht mal in der Lage, sich aus eigener Kraft aufzusetzen.
Glendas Optimismus schwand. So kam sie nicht weiter. Elisa musste eigentlich mithelfen und auch selbst etwas unternehmen. Für sie war das in ihrem Zustand nicht möglich. Sie schaffte es nicht, das Bett zu verlassen. Die Dosis war einfach zu stark. Glenda ging davon aus, dass sie nicht mal richtig wahrnahm, was um sie herum geschah.
Es war der Zeitpunkt gekommen, an dem sie John Sinclair anrufen musste. Wenn sie Elisa aus diesem Zimmer wegschaffen wollten, dann eben nur zu zweit.
Glenda holte ihr Handy hervor.
Und dabei blieb es.
Denn plötzlich wurde die Tür aufgestoßen, und Harriet Blake huschte in den Raum.
»Nicht doch«, sagte sie, »das hat jetzt auch keinen Sinn mehr.«
Sie hatte recht, denn ihre Worte wurden von der Pistole unterstrichen, die auf Glenda Perkins zielte…
***
Zu spät!, dachte Glenda. Verdammt noch mal, ich hätte früher anrufen sollen. Jetzt
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