1729 - Totenliebe
der Nähe eines Betts.
»Und?«
Harriet Blake drehte den Kopf. »Sie können Elisa besuchen. Ich glaube allerdings nicht, dass es viel bringt. Wie es ausschaut, schläft sie tief und fest.«
»Und? Kann ich sie trotzdem…«
»Ja, natürlich, Sie können zu ihr.«
»Danke.«
»Aber nicht zu lange.« Die Frau gab den Weg frei, und Glenda fiel ein Stein vom Herzen. Sie hatte schon befürchtet, wieder zurückgeschickt zu werden. Dafür zog sich Harriet Blake zurück. Sie schenkte Glenda ein letztes Lächeln, das Glenda nicht als ein solches ansah. Es kam ihr hinterlistig vor.
Erst als die Tür wieder geschlossen war, machte sie sich auf den Weg. Es waren nur ein paar Schritte bis zum Bett. Die letzten legte Glenda fast lautlos zurück, und sie hielt auch ihren Atem unter Kontrolle, als sie neben dem Bett stehen blieb.
Schlief Elisa wirklich?
Es sah so aus. Sie lag auf dem Rücken und hatte die Augen geschlossen. Allerdings zeigte ihr Gesicht keinen entspannten Ausdruck. Sie sah recht kantig aus und schien darunter zu leiden, dass sie von irgendwelchen Träumen geplagt wurde. Manchmal bewegten sich die Lippen, und die Wangen zuckten ebenfalls.
Glenda dachte darüber nach, wie sie sich verhalten sollte. Beim Eintreten hatte sie mit dem Gedanken gespielt, die fremde Person zu wecken, um ihr Fragen zu stellen. Sie beugte sich tiefer und legte eine Hand gegen die Wange.
Die Haut war warm.
Darüber wunderte sich Glenda. Sofort dachte sie an einen Fieberschauer, aber sie wurde abgelenkt, denn es geschah etwas anderes. Plötzlich öffneten sich die Lippen der Schlafenden. Zuerst produzierte sie nur ein Gemurmel, denn es war nicht viel zu verstehen, was sich aber änderte, denn die Lippen formulierten plötzlich einige Worte, die Glenda verstand.
»Du bist da – du bist immer da. Ich spüre dich…«
Glenda zuckte leicht zusammen. Die Augen der Frau waren weiterhin geschlossen, und Glenda ging davon aus, dass sie nicht gemeint war mit dem letzten Kommentar.
Aber wen hatte Elisa gesehen?
Glenda Perkins wartete ab. Sie spielte mit dem Gedanken, die junge Frau zu wecken, die noch immer das Kleid trug wie auf dem Friedhof. John Sinclair hatte es ihr beschrieben. Für sie war das nicht normal. So legte man sich nicht ins Bett. Sie gelangte immer mehr zu der Überzeugung, dass hier einiges nicht mit rechten Dingen zuging und sie so etwas wie ein Schauspiel erlebte. Schlief diese Frau wirklich? Oder war sie in diesen Zustand versetzt worden?
Es war Glenda egal, ob Elisa erwachte. Sie wollte es genau wissen und strich über die Wangen. Eine Reaktion erlebte sie nicht. Elisa sprach auch nicht mehr.
Glenda gab nicht auf. Sie sah, dass sich die Augendeckel bewegten, und dieses Zucken machte sie schon leicht misstrauisch.
Das Streicheln der Wangen ließ sie bleiben. Es gab eine bessere Möglichkeit, die Schlafende aus ihrem Zustand hervorzuholen. Glenda schlug einige Male gegen die Wangen der Frau und sprach zudem ihren Namen flüsternd aus.
Und sie hatte Erfolg. Aus dem nicht mehr geschlossenen Mund drang ein Murmeln. Worte waren nicht zu verstehen, aber die Lippen begannen zu zittern, und fast gleichzeitig öffneten sich die Augen.
Elisa war wach!
Sie schaute Glenda an. Die gab den Blick zurück – und sah, was sich da in den Augen tat. Oder im Blick. Mit den Pupillen. Sie waren so klein geworden, und das wies auf etwas Bestimmtes hin. Glenda glaubte nicht mehr daran, dass Elisa geschlafen hatte. Sie war nicht mehr wach gewesen, doch das hatte daran gelegen, dass sie unter Drogen gesetzt worden war…
***
Als das Gespräch mit meinem Freund und Kollegen beendet war, atmete ich auf. Ich hatte etwas in die Wege geleitet, was eine Rückendeckung für mich werden konnte, obwohl das auch nicht hundertprozentig sicher war. Ich fühlte mich jedenfalls besser.
Das Zimmer hatte ich nicht verlassen, aber während des Gesprächs nicht aus dem Fenster geschaut. So war mir entgangen, wie sich die Männer draußen verhielten.
Jetzt sah ich wieder nach. Sie standen noch immer zusammen. Einer von ihnen hatte sich etwas abseits hingestellt, weil er in Ruhe telefonieren wollte.
Wer waren sie, und was hatten sie vor? Sie waren nicht grundlos mit zwei Transportern gekommen. Wer das tat, der holte etwas ab. Zum Beispiel eine Ware, und da musste ich nicht lange nachdenken, um zu einem Ergebnis zu gelangen.
Die Ware Mensch!
Die Frauen, die in den Zimmern lagen und den Eindruck machten, als würden sie auf einen Abtransport warten.
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