1733 - Tempel der Unsichtbaren
blieb er stehen und schüttelte den Kopf. Dabei bewies er, dass er auch leise sprechen konnte. »Nein, das glaube ich nicht.«
Jane nickte ihm zu. »Doch, ich bin es. Und ich sitze neben der Leiche. Das ist kein Witz und auch keine Fata Morgana.«
Tanner gab dem uniformierten Bewacher einen Wink, damit dieser sich zurückzog. Dann winkte er Jane an einen Nebentisch, wo sich beide niederließen.
Die Kollegen der Spurensicherung trabten an. In ihrer hellen Schutzkleidung sahen sie aus wie Geister. Um sie kümmerte sich Tanner nicht, denn die Leute wussten genau, was sie zu tun hatten. Wichtig für ihn war Jane Collins, und er begann mit einer Frage, die Jane nicht überraschte.
»Wie heißt dieser Mann?«
»Cyril Parker.«
»Gut.« Tanner nickte. »Und kannst du mir auch sagen, wer ihn umgebracht hat?«
»Ja.«
»Ähm – du hast den Killer gesehen?«
»Nein, das konnte ich nicht, denn er war unsichtbar.«
Die Aussage stand und zwang den Chiefinspektor zum Nachdenken. Es kam selten vor, dass er nichts sagte, in diesem Fall schon, und er musste sich einige Male räuspern, bevor er fähig war, eine Antwort zu geben. »Ich habe doch richtig gehört? Du hast davon gesprochen, dass er unsichtbar war?«
»Genau das habe ich.«
»Und weiter?«
Jane lächelte etwas verkrampft. »Ich weiß, dass du die ganze Geschichte hören willst. Keine Sorge, ich werde sie dir erzählen. Vorweg gesagt, sie klingt sehr unwahrscheinlich und auch unglaublich. Aber ich bin froh, dass du die Ermittlungen übernommen hast, denn du weißt wie ich, was alles möglich ist.«
»Gebongt.« Tanner drückte seinen grauen Hut etwas zurück. Ein Beweis, dass er entspannt war. Er war zudem ein Mann, der schweigen konnte, und das tat er in den nächsten Minuten.
So hörte er, was passiert war. Und Jane ließ nichts aus. Sie berichtete, dass der Mann ihr Klient war und sich bedroht gefühlt hatte, und zwar von einer ihm nicht Unbekannten.
»Einer Frau?«
Jane nickte.
»Kennst du auch den Namen?«
»Sie heißt Kira Simmons.«
Tanner schnaufte. »Der Name sagt mir nichts. Aber erzähl weiter, bitte.«
Das tat die Privatdetektivin, und so erfuhr der Chiefinspektor jedes Detail. Seinem Gesicht war anzusehen, dass er nicht eben begeistert war. Er schüttelte einige Male den Kopf, stöhnte auch mal vor sich hin und sagte dann: »Das ist ein Fall, der den Rahmen sprengt, Jane.«
»Weiß ich.«
»Hast du schon versucht, John Sinclair anzurufen?«
»Nein, das habe ich nicht. Das wollte ich. Man hat mich nicht gelassen. Ich saß hier wie eine Steinfigur. Ist nicht weiter tragisch, ich kenne die Regeln. Aber ich werde mich natürlich mit ihm in Verbindung setzen.«
»Ja, tu das.« Tanner schob seine Unterlippe vor. »Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, wie es möglich sein kann, dass jemand unsichtbar wird?«
»Habe ich.«
»Und was ist dabei herausgekommen?«
»Nichts. Ich kann es mir nicht erklären.«
Er nickte. »Das gilt auch für mich.«
Jane streckte ihre Beine aus. »Wie du schon richtig bemerkt hast, ist es ein Fall für John. Deshalb die Frage, ob auch du weiterhin am Ball bleiben willst.«
»Offiziell ja. Ich kann den Fall nicht einfach sausen lassen. Aber davon abgesehen, du hast die Täterin nicht gesehen, nur gehört? Ist das richtig?«
»Absolut. Wenn jemand unsichtbar ist, kann man ihn nicht sehen.«
Tanner winkte ab. »Ja, ja, ich weiß.« Er schickte einen Fluch hinterher. »Ich habe nur meine Probleme damit.« Er ballte die Hände. »Was hier abgelaufen ist, ist unbegreiflich. Wie kann man unsichtbar werden? Gib es da eine Maschine, die irgendetwas produziert, das einen Menschen unsichtbar werden lässt?«
»Ich weiß es nicht«, gab Jane zu. »Aber ich kann mich daran erinnern, dass John Sinclair mal vor langer Zeit etwas mit einem Unsichtbaren zu tun gehabt hat. Ich glaube, er hieß Mark Baxter. Aber den gibt es wohl nicht mehr.«
»War er ein Dämon oder so?«
»Weder noch. Er war ein CIA-Agent, wenn ich mich recht erinnere. Und er ist damals in eine Strahlung geraten, die für diese Unsichtbarkeit gesorgt hat. Mehr kann ich dir nicht sagen. Da müsste sich John erinnern können.«
»Sicher. Jedenfalls muss er mitmischen. Und über ein Motiv hast du mit diesen Cyril Parker auch nicht gesprochen – oder?«
Jane dachte kurz nach. »Nun ja, die Täterin muss ein Motiv gehabt haben. Sie stand ja in einer Beziehung zu ihm. Die beiden hatten Sex miteinander, doch dann hat er sie fallen gelassen wie
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