1737 - Das Blut der Zauberin
stellen.
»Was wollen Sie genau?«
»Auskunft haben und Serena sehen.« Ich nickte ihm zu. »Es ist besser, wenn Sie uns reinlassen. Auch wenn es nicht so aussieht, aber man darf Gefahren nicht unterschätzen.«
Leitner schüttelte den Kopf. »Ich sehe keine Gefahren, und jetzt verschwinden Sie.«
Wir mussten es tun, wollten wir uns nicht eines Hausfriedensbruchs schuldig machen.
Aber das Schicksal hatte etwas anderes mit uns vor. Ich sah, dass sich Bills Augen weiteten. Er hatte an der linken Schulter des Professors vorbeigeschaut und flüsterte meinen Namen.
Ich schaute hin.
Und ich sah die Person, die uralt sein musste und trotzdem nicht so aussah...
***
Sie hatte den Flur betreten und schlenderte langsam auf das neue Ziel zu. Wir sahen ein blasses Gesicht, das von einer roten Haarflut umrahmt wurde. Sie trug ein seltsames Kleidungsstück, das mich an eine Korsage erinnerte. Sie war zweifarbig, schwarz und rot. Ihre Beine waren nicht zu sehen, denn sie wurden von einem langen Rock verdeckt.
Auch der Professor hatte mitbekommen, dass etwas nicht stimmte. Er drehte sich ebenfalls um, sah Serena und gab einen Laut von sich, der sich wie ein Kieksen anhörte.
An uns dachte er nicht mehr. Durch seine Drehbewegung hatte er sogar die Tür freigegeben, und das nutzten wir sofort aus. Bill und ich schoben uns ins Haus.
Dabei gelangten wir in einen nicht sehr großen Flur. Mehrere Türen fielen uns auf und auch eine Holztreppe, die nach oben führte. Von einer weiteren Person entdeckten wir nichts, aber der Gedanke an Justine Cavallo blieb in unseren Köpfen hängen. Es gab bestimmt genügend Zimmer in diesem Haus, in denen sie sich verstecken konnte.
Der Professor war geschockt. Er bewegte seine Lippen, ohne etwas zu sagen und reagierte auch nicht, als Bill Conolly die Haustür schloss und sich ebenfalls nach vorn bewegte.
Ich trat an Serena heran. Ich wollte wissen, mit wem ich es zu tun hatte. Ich wollte auch mit ihr kommunizieren, und als ich einen Blick auf ihre helle Haut warf, da stellte ich fest, dass sie nicht überall so hell war, sondern an verschiedenen Stellen so etwas wie Narben zeigte. Schnitte, die zwar verheilt waren, aber nicht richtig.
Sie schaute mich an.
Ich sah in ein dunkles Augenpaar, das auf mich einen neutralen Eindruck machte. Es war ein Blick, der nicht lebte, aber auch nicht tot war.
Ich dachte an mein Kreuz, das bisher noch keine Reaktion gezeigt hatte. Also musste ich diese Person nicht unbedingt als eine Feindin einstufen. Ich sprach sie an. »Wer bist du?«
Sie hatte mich gehört. Das entnahm ich ihrer Reaktion, doch sie gab keine Antwort.
»Bist du Serena?«
Erst jetzt nickte sie.
In meiner Nähe hörte ich den Professor heftig atmen. »Geben Sie sich keine Mühe, Herr Sinclair. Sie wird Ihnen keine Antwort geben, denn sie kann nicht reden. Ich gehe davon aus, dass sie stumm ist. Mit mir hat sie auch nicht gesprochen, und ich weiß auch nicht, wie ich ihr Schweigen brechen soll.«
»Das ist schon okay«, sagte ich. »Aber was wissen Sie überhaupt von ihr?«
»Nur theoretische Vorgaben.«
»Was heißt das?«
»Ich habe in alten Schriften über sie gelesen. Die Menschen haben sie als Heilerin verehrt, sie hat vielen Leuten geholfen, und jemand hat sie als eine Heilige und sogar als ein Unsterbliche deklariert. Das muss ein Bischof oder Kardinal gewesen sein. Jedenfalls haben ihr die Menschen vertraut.«
»Zu recht?«, fragte ich.
»Ja, sie hat geheilt.«
»Und wie hat sie das getan?«
Der Professor trat noch dichter an mich heran. »Das ist so eine Sache, wenn man den Überlieferungen glauben kann. Es hat mit ihrem Blut zu tun. Das ist etwas Besonderes.«
»Und weiter?«
Der Professor hob die Schultern. »Kann ich Ihnen auch nicht sagen, aber sie ist für mich ein Wunder. Sie hat sich begraben lassen, aber sie lebte trotzdem weiter.« Er hob die Schultern. »Das möchte ich erforschen. Leider stehe ich erst am Anfang.«
»Hat sie zu ihren normalen Lebzeiten denn irgendwelche Wunder vollbracht?«
»Das kann ich nicht sagen, möglicherweise wurden ihre Heilungen als Wunder anerkannt.« Der Professor deutete auf sie. »In den Aufzählungen der normalen Heiligen findet man sie nicht. Kann sein, dass sie nichts mit der Kirche zu tun hatte. Ist mir auch egal. Ich habe mein Leben der Forschung gewidmet, ja, ein derartiges Phänomen ist einmalig. So etwas ist mir nie zuvor untergekommen.«
Das glaubte ich ihm. Aber wie sollte ich den Kontakt zu dieser Person finden?
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