1737 - Das Blut der Zauberin
noch nicht viel mitbekommen hatte. Jedenfalls hatte das zweite Klingeln etwas genützt, denn wir hörten hinter der Tür plötzlich Schritte, und Sekunden später wurde die Tür aufgezogen.
Ein Mann im mittleren Lebensalter schaute uns erstaunt an. Er hatte ein etwas verkniffenes Gesicht. Die Haare waren nicht gekämmt, und als er die Augen verengte, sah er aus wie das Misstrauen persönlich.
Bill lächelte ihn an. »Einen wunderschönen guten Tag«, sagte er. »Sie müssen Professor Ludwig Leitner sein.«
Bill hatte so fordernd gesprochen, dass der Mann vor uns nur nicken konnte.
»Wunderbar, mein Name ist Bill Conolly, und ich habe meinen Kollegen John Sinclair mitgebracht. Dass wir nicht von hier sind, sagen unsere Namen. Wir kommen aus London.«
»Was wollen Sie?«
Diesmal sprach ich. »Gern mit Ihnen reden, Professor.«
»Worüber? Ich kenne Sie nicht.«
»Es geht um die Zauberin.«
Bisher hatte er sich schon recht wenig bewegt, jetzt aber stand er völlig steif vor uns und musste sich erst fassen.
Ich präzisierte unseren Wunsch. »Es geht um Serena.«
Der Professor sagte nichts. Es war ihm jedoch anzusehen, dass wir ins Schwarze getroffen hatten. Sein Gesicht versteinerte und er schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden, meine Herren. Ich habe Sie auch nicht gerufen, aber ich will, dass Sie von hier verschwinden, und zwar sofort.«
Er hatte das Recht, uns hinauszuwerfen. Wir besaßen keinen Durchsuchungsbefehl, und ich hatte in meiner Eigenschaft als Polizist hier sowieso nichts zu sagen. So konnten wir nur auf die Einsicht des Professors hoffen. Ich versuchte es mit Überzeugungskraft.
»Hören Sie, Herr Leitner, wir sind nicht hier bei Ihnen erschienen, um Ihnen etwas zu wollen oder Ihnen etwas wegzunehmen. Wir haben unsere Gründe und stehen auf Ihrer Seite.«
»Was soll das?«
»Es kann nicht gut sein, dass Sie sich mit einer Person beschäftigen, die eigentlich hätte tot sein müssen, es aber nicht ist, obwohl sie uralt sein muss...«
Leitner unterbrach mich. »Sie ist eben eine Zauberin. Ja, das ist sie.«
»Zaubern hat nichts mit Übersinnlichem zu tun. Das sollte auch Ihnen klar sein. Zaubern ist menschlich. Es ist Täuschung. Es sind perfekte Tricks, auch wenn man das zurzeit dieser Serena wohl noch nicht so gesehen hat. Ich bin auch davon überzeugt, dass sie als Zauberin gesehen wurde, doch ich würde ihr schon einen anderen Namen geben.«
»Welchen denn?«
Diese Frage bewies mir, dass ich ihn auf einen anderen Weg gebracht hatte. Er reagierte nicht mehr so abweisend.
»Eine Mystikerin.«
»Und weiter?«
»Eine Person, der ein Blick auf andere Welten möglich ist. Die hinter die Dinge schaut.«
Ludwig Leitner atmete tief durch. »Sie scheinen sich auszukennen, das gebe ich zu. Nur ist mir Ihr Erscheinen suspekt. Sie sind plötzlich hier, als wären Sie vom Himmel gefallen. Ich kenne Sie nicht, aber Sie scheinen informiert zu sein.«
»Das sind wir«, sagte Bill.
»Und wer hat das getan?«
»Toni Hellmann.«
Der Professor lachte kratzig. Dann winkte er ab. »Ja, das habe ich mir denken können. Ich hätte Sie nicht zu fragen brauchen. Warum hat er denn geredet?«
»Weil er sich um Sie Sorgen macht«, sagte Bill.
Leitner lachte. »Wieso um mich?«
»Weil Sie sich auf ein Gebiet begeben haben, das für einen Menschen sehr gefährlich werden kann.«
»Serena ist nicht gefährlich.«
»Das glauben wir Ihnen. Und deshalb fürchten wir uns auch nicht vor ihr. Aber wir möchten sie doch sehen.« Bill lächelte erneut und wartete auf die Antwort.
Der Professor blieb stur. »Sie können mir alles Mögliche erzählen. Ich wüsste nur nicht, was Sie mit dieser Person zu tun haben. Sie gehört zu mir, denn ich habe sie gefunden. Sie ist erwacht. Ich habe den Deckel des Sargs zusammen mit Toni Hellmann geöffnet, und deshalb...«
»… hat sie auch geblutet«, stellte ich fest.
Der Professor starrte mich an. »Woher wissen Sie das?«
»Toni Hellmann.«
Leitner schüttelte den Kopf. »Ich hätte ihn nicht ins Vertrauen ziehen sollen.«
»Es war schon besser so«, erklärte ich. »Denn es geht ja nicht um die alte Zauberin allein. Sie haben noch einen Gast in diesem Haus, denke ich mir.«
»Ach ja? Wer sollte das denn sein?«
Jetzt sprach Bill. »Eine blondhaarige Frau, die aussieht wie ein Mensch, aber kein normaler Mensch ist, denn sie muss sich vom Blut der Menschen ernähren.«
Der Professor sagte nichts. Er schnaufte, um dann seine Frage zu
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