1739 - Der Tabubrecher
Thean-Anwärter und Schüler. Dieser Ort ist für mich heilig gewesen, der Inbegriff meines - sagen wir; Glaubens. Und dort, an diesem geheimen Zentrum unseres Wissens und unserer Lebensanschauung, taucht plötzlich nach zwei Millionen Jahren der Feind wieder auf. Und in seiner Begleitung, als Verbündete - ihr. Was habt ihr da getan? Warum habt ihr das getan?"
In Pi-Pouls klingender Stimme lag ein tiefer Schmerz.
„Ich kann mich nicht rechtfertigen", sagte Rhodan nicht ohne Bitterkeit.
„Ich habe keine Erklärung, keine Entschuldigung. Es ist geschehen, aus einer nicht mehr kontrollierbaren Emotion heraus. Wir waren nicht der Auslöser."
„Rache", sagte Pi-Poul düster. „Die wenigen noch Überlebenden, die wir fanden, berichteten davon. Doch wäre es nun nicht mein Recht, dafür Rache an euch zu nehmen?"
„Rache ist nicht mit Gerechtigkeit gleichzusetzen."
„Genau. Deshalb... lasse ich meine Gefühle hier auch hintenanstehen.
Das tat ich bereits damals, weil ich mich weiter mit euch auseinandersetzen wollte. Ich wollte verstehen, weshalb ihr das zulassen konntet, nach allem, was ich über euch gehört hatte. Ich befragte die Roboter, aber sie hatten keine Antwort darauf. Sie waren ja nur Maschinen. Ich hielt meine Freunde zurück, die Roboter zu vernichten. Es hätte den Verlust von Quidor nicht wettmachen können. So schwer es uns fiel, wir mußten darüber hinweggehen und mit der Forschung weitermachen."
Pi-Poul strich mit den Händen einige Falten seines Gewandes glatt und seufzte tief.
Perry Rhodan schwieg weiterhin.
„Perry Rhodan, wir kennen uns erst seit ein paar Tagen und haben die Zeit so intensiv mit Gesprächen genutzt, daß es fast für ein Leben reicht.
Ich kann wohl behaupten, daß wir beide uns trotz der kurzen Zeit inzwischen gut kennengelernt haben.
Doch das gilt nur für dich und mich, nicht für deine Gefährten. Das, was da auf Quidor geschehen ist, kann ich niemals vergessen. Ich hege keine Rachegefühle mehr, mißverstehe mich nicht. Ich hatte Zeit, um sie verdrängen zu können, und ich werde dies auch bei der weiteren Auseinandersetzung mit euch und der Damurial nicht als Argumentation verwenden.
Aber das kann und werde ich euch nie verzeihen, auch wenn wir dereinst im Guten auseinandergehen werden. Es wird immer ein Schatten bleiben, der zwischen uns steht."
„Das kann ich verstehen", sagte der Terraner.
Pi-Poul hob die rechte Hand.
„Dies war jetzt etwas sehr persönliches zwischen uns, Perry Rhodan, und ich möchte dich bitten, darüber mit niemandem zu reden. Dies betraf nur uns beide und hat mit der Situation selbst nichts zu tun. Ich hatte nur das Gefühl und auch das Bedürfnis, dir das zu sagen. Zwischen uns sollte alles offen sein, sonst können wir kein Vertrauen zueinander fassen.
Sprechen wir über die Zukunft der Damurial. Du hast mir ausführlich erläutert, welche Gefahr uns droht und daß die Ayindi nicht der eigentliche Feind sind. Du hast mich dazu gebracht, mit meinen Traditionen zu rechen und als Thean die Gesetze, die ich zu vertreten habe, zu ignorieren.
Wie soll es jetzt deiner Ansicht nach weitergehen?"
*
Perry Rhodan dachte einige Zeit still nach, und Pi-Poul schwieg ebenfalls.
„Ich muß mit den Theans der Damurial und den Vertretern der Völker sprechen", sagte der Terraner schließlich.
Der alte Thean nickte. „Eine andere Wahl hast du wohl kaum. Aber ich will dir von vornherein keine allzu großen Hoffnungen machen. Ich bin zwar der Hohe Thean, und mein Wort wiegt schwerer als das der anderen Thean. Aber ich habe keine uneingeschränkte Anerkennung. Der Großteil dürfte auf meiner Seite stehen und sich meinen Argumenten zugänglich zeigen, aber das genügt nicht.
Ich habe dir von Darimus Thean erzählt, dem Großen Sprecher und meinem Stellvertreter. Er ist ganz anders als ich, keineswegs so offen und - friedliebend. Er hat eine Menge Anhänger, die alle der Ansicht sind, daß die Damurial schwach und nachlässig wird und daß gründlich durchgegriffen werden sollte. Durch Verschärfung der Gesetze, Aussetzung von Begnadigungen und so weiter. Kurz: Sie fordern mehr Macht für die Theans.
Darimus ist ein abgebrühter Politiker und vertraut nur seinem Verstand.
Er würde sich niemals aus einer starken Gefühlsregung heraus zu etwas hinreißen lassen, das er später bereuen könnte.
Er könnte die Situation ausnutzen und versuchen, das Amt des Hohen Thean zu erlangen. Dann sehe ich schwarz für dich und deine Gefährten,
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