1739 - Der Tabubrecher
sie riechen mochte - staubig, muffig, wie ein dreihundert Jahre altes Grab, das gerade geöffnet wurde.
Was für ein Erlebnis! So alt war er inzwischen geworden, daß er geglaubt hatte, es gäbe keine Überraschungen mehr für ihn. Doch nun erlebte er das größte Abenteuer seines Lebens.
Ein Zittern befiel ihn da, dann wieder das Hochgefühl eines Kindes, das einem Geheimnis auf die Spur gekommen war.
So wanderte er weiter, völlig versunken in seiner Gefühlswelt zwischen Angst und Überschwang, in der Erinnerung an seine Kinderzeit, als er das letzte Mal eine so starke Emotion empfunden hatte.
Schließlich, als sich seine Nerven langsam beruhigten und der Blutdruck sich normalisierte, fand er in die Gegenwart zurück. Er gewahrte Perry Rhodan, der die ganze Zeit still neben ihm hergegangen war.
Doch der Terraner hatte wohl den Blick des Theans gespürt, denn er wandte sich ihm zu.
„Wie fühlst du dich?" fragte Rhodan lächelnd; Pi-Poul sah es durch das Helmvisier.
„Unbeschreiblich", antwortete der Thean, doch er lächelte nicht.
Sein Verstand arbeitete jetzt wie gewohnt schnell und sachlich. Die Erkenntnisse boten keinen Anlaß zu einem Lächeln.
„Sag mir eines, Perry Rhodan: War Quidor der Erlöser der Lügner, der dies hier initiiert hat?"
„Ich weiß es nicht", antwortete Rhodan. „Ich habe so viele widersprüchliche Geschichten über den Ritter der Tiefe gehört, daß ich nicht weiß, was ich glauben soll. Ich denke, daß Quidor es durchaus verstanden hat, die Situation entsprechend auszunutzen und sich mit dem geringsten Aufwand ins rechte Licht zu setzen."
„Für uns Raunach war Quidor stets der strahlende, göttlich wirkende Erlöser. Wir verstanden uns als seine Auserwählten, deshalb gilt unser Schwur noch heute. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er dies aus Eigennutz getan haben soll. Es muß einen besonderen Grund dafür gegeben haben, weswegen wir niemals die Wahrheit erfahren haben."
„Das ist sehr lange vergangen, Pi-Poul", sagte Rhodan vorsichtig. „Die Geschichte hat mit der Zeit einiges beschönigt, das ist in jeder Kultur so."
„Darin gebe ich dir recht. Mein Weltbild ist jetzt auch nicht Gegenstand unserer Auseinandersetzung." Pi-Poul straffte seinen kleinen, zerbrechlich wirkenden Körper. „Weshalb auch immer diese Lüge zustande kam, es ist momentan unwichtig. Jedenfalls hast du mir einen Beweis zu deinen Behauptungen der letzten Tage geliefert. Wir haben über viele verschiedene Dinge geredet, doch jetzt bitte ich um deine Darstellung der Zusammenhänge."
*
Der Aufforderung des Theans kam Perry Rhodan gern nach, schließlich war er mit ihm aus diesem Grund hierhergeflogen: Endlich war er seinem Ziel, die Damurial über einen Irrtum aufzuklären, nähergerückt!
Der unsterbliche Terraner berichtete dem Thean von Anfang an. Von dem ersten Kontakt mit den Ennox und wie diese die Galaktiker dazu gebracht hatten, zur Großen Leere zu fliegen. Er berichtete von den Spindeln und den Wesen, die aus ihnen entstanden waren. Und er berichtete von der tatsächlichen Bedeutung der Tabuplaneten mit ihren widernatürlichen Phänomenen und dem H5 -Vorkommen, sprach darüber, wie mit Hilfe der Spindelwesen eine Passage auf die andere Seite des Universums geöffnet wurde. Diese Passage war seinerzeit von den Ayindi als Fluchtbrücke vom Arresum ins Parresum geschaffen worden, um der Abruse zu entkommen.
Rhodan ging bei diesem Bericht auf diese kristalline Lebensform ein, deren Ursprung oder tatsächliche Erscheinung bis heute nicht bekannt war. Er beschrieb die Verzweiflung der Ayindi, nachdem sie vom Rest ihres Universums abgeschnitten waren und sich darauf einstellen mußten, daß ihre letzte Enklave der Abruse zum Opfer fallen würde. In ihrer Not hatten sie den einzigen Ausweg erkannt, der ihnen blieb - und sie nutzten ihn.
Pi-Poul hörte die ganze Zeit still zu. Einiges von dem, was Rhodan sagte, war zwar nur eine Wiederholung, aber jetzt erfuhr er alles in einem ganz anderen Zusammenhang und unter einem völlig neuen Aspekt.
„Ich kann, wie gesagt, die Ayindi in diesem Punkt verstehen", sagte der Thean schließlich in eine Pause hinein. „Wenn das alles so ist, wie du es nun zum wiederholten Male zu erklären versuchst. Dennoch muß auch ich dir erneut sagen, daß die Ayindi eine seltsame Art hatten, ihre Flucht zu gestalten. Auch wenn sie der Ansicht waren, keine Zeit für lange Bittgesuche zu haben, war dieser gewaltsame Einbruch bei uns nicht doch
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