1740 - Und er lebt doch!
anderen. Spaß hat das nicht gemacht, das kann ich dir sagen.«
»Das glaube ich dir.«
»Jetzt hat er Besuch.«
Ich setzte die Tasse ab. »Von wem? Hat er dich eingeweiht?«
»Nein.« Glenda räusperte sich. »Das hat er nicht getan. Aber begeistert hat er auch nicht ausgesehen. Worum es geht, weiß ich nicht.« Sie lächelte spitzbübisch. »Allerdings hat er nach dir gefragt. Ich habe ihm gesagt, wann ich dich zurück erwarte.«
»Und weiter?«
»Er hat es zur Kenntnis genommen. Ich denke, dass er dich bald holen wird.«
»Das befürchte ich auch.« Meine Hand deutete auf den leeren Stuhl, auf dem Suko sonst immer saß. »Was ist denn mit ihm und Shao? Sie sind in Shanghai – okay. Aber kennst du den Grund? Ist das etwas Privates?«
»Das scheint so, denn im offiziellen Auftrag sind die beiden nicht geflogen.«
»Hast du schon was von ihnen gehört?«
»Nein, es hat keinen Anruf bei uns gegeben. Aber das hat es auch nicht gemusst.«
»Das stimmt allerdings.«
»Und wie sieht es bei dir aus? Bist du zufrieden?«
»Nein, Glenda. Ich habe zwar einiges an Stress hinter mir, aber das ist auch alles. Den Fall selbst konnte ich nicht lösen. Das wird noch ein Nachspiel geben. Wann das sein wird, kann ich dir nicht sagen, aber es wird was kommen. Außerdem haben die Conollys einen Gast zu sich nach Hause genommen.«
»Nein.« Glenda verzog den Mund. »Wen denn?«
»Eine geheimnisvolle Frau namens Serena. Sie selbst bezeichnet sich als Mystikerin. Vom Alter her kannst du sie auf einige Jahrhunderte schätzen, aber sie sieht aus wie du und ich.«
Jetzt war Glenda erstaunt und öffnete weit die Augen. »Woran liegt das denn?«
»Am Blut einer Heiligen und...«
Es blieb bei der Hälfte meiner Antwort, denn es meldete sich das Telefon. Für mich stand fest, dass es kein Spaßanruf sein würde, ich hob ab und meldete mich mit der Hälfte meines Namens. Weiter ließ mich Sir James nicht kommen.
»Aha, da sind Sie ja wieder.«
»Genau.«
»Dann haben Sie ja Zeit, zu mir zu kommen.«
»Wenn es denn sein muss.«
»Bitte, kommen Sie!«
Ich wunderte mich über seinen schon fast schroffen Ton. So war er sonst nicht. Als ich mit Glenda darüber sprach, sagte sie: »Das liegt wahrscheinlich daran, dass er nicht allein ist.«
Mir fiel wieder dieser Besucher ein, den auch Glenda Perkins nicht kannte. Ich war davon überzeugt, dass die Zeit des Entspannens bereits jetzt wieder vorbei war.
»Dann zieh mal los«, sagte sie.
»Genau das werde ich tun...«
***
Rudy Samatkin wollte lachen, er hielt das, was ihm gesagt worden war, für einen Witz. Allerdings nur für die Dauer weniger Sekunden, denn diese Chandra machte keine Witze. Die war eiskalt, und wenn sie vom Sterben sprach, dann meinte sie es auch so.
Rasputin bewegte sich nicht. Er stand auf dem Fleck wie eine Statue.
Das war auch okay, denn jetzt ging es Samatkin um die Frau, die sich Chandra nannte.
Sie stand in seiner Nähe, hatte ihren Worten nichts mehr hinzugefügt und wartete auf seine Reaktion. Rudy ließ sich nicht lange bitten.
»Das war doch ein Witz, oder?«
»Ich mache keine Witze.«
Er nickte. Schluckte dann. Spürte, dass sich in seinem Innern etwas zusammenzog und dachte voller Verzweiflung über den Grund nach, weshalb man ihn umbringen wollte.
Er fand keinen und fragte deshalb nach. »Warum soll ich denn sterben?«
»Weil deine Zeit abgelaufen ist.«
»Und das bestimmst du?«
»Ja!«
Sie hatte die Antwort gegeben, als wäre dies das Normalste auf der Welt.
»Und weiter?«, fragte er.
»Du hast gesehen, was du sehen wolltest. Du hast dich ja sehr angestrengt, um ein bestimmtes Geheimnis herauszufinden. Das hast du nun erlebt, und damit reicht es. Du kannst mit deiner Entdeckung nichts mehr anfangen und daraus Kapital schlagen. Das ist leider so.« Chandra lächelte. »Ich weiß, wer du bist. Du arbeitest für verschiedene Dienste. Im Moment hat dich der russische Geheimdienst engagiert, und du bist wirklich weit gekommen, das muss ich zugeben. Da bin ich auf dich aufmerksam geworden, und ich wollte dir den Gefallen tun und dir zeigen, dass Rasputin lebt. Schau nach vorn, dort steht er.«
Samatkin sagte nichts. Er dachte daran, dass ihm das Treffen auf dem Friedhof hier als Falle vorgekommen war. Jetzt hatte er den Beweis. Es war sogar eine tödliche Falle, und das machte ihm zu schaffen.
Plötzlich schwitzte er. Das lag nicht allein an der schwülen und drückenden Luft. Er spürte die kalten Tropfen, die über seinen Rücken
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