1743 - Digital-Gespenster
Gänsehaut bekommen, aber meine Freundin grinste nur.
„Prima", sagte sie. „Das werde ich tun. Wohnst du hier, oder bist du nur auf Besuch?"
„Nur auf der Durchreise", sagte ich und blickte sie an. „Schau mir in die Augen, Kleines - du wirst ganz bestimmt gut schlafen, ich schwor’s!"
„Beim Leben deiner Mutter?"
Sie sollte mich besser nicht in Versuchung führen.
„Bei allem, was mir heilig ist!" gelobte ich statt dessen.
Sie griente wieder.
„Na, viel wird das nicht sein", bemerkte sie altklug; ihr Gesicht verfinsterte sich. „Und wenn das Digital-Gespenst morgen wiederkommt?"
Ein hübscher Name - Digital-Gespenst. Eine hübsche Kombination aus Wissenschaft und Spuk, die zwar keinen Sinn ergab, aber dafür hübsch klang.
„Es kommt nicht wieder, bestimmt. Außerdem werden deine Eltern ja dann wieder zur Stelle sein, hoffe ich."
„Oder mein Freund Pubert. Der kann alles. Morgen will er mir zeigen, wie man Frösche mit einem Speer aufspießt."
Haben sich Kinder eigentlich wirklich geändert in den letzten dreitausend Jahren?
„Na, dann hast du ja schon etwas, worauf du dich freuen kannst", beendete ich den Plausch. „Und nun, ab in die Klappe! Deine Augen fallen ja schon von selbst zu."
Ich ließ die Kleine allein und entfernte mich. Ein paar Schritte jenseits der Tür lief ich einem Mann und einer Frau über den Weg, die zögerten, mich mißtrauisch musterten und dann rasch weitergingen. Wetten, daß sie in der Wohnung als erstes die syntronische Überwachung abfragten?
Ich spazierte weiter. Einen Raum zur Übernachtung hatte ich vor dem Abflug gebucht, darum brauchte ich mich nicht zu kümmern. Ich suchte in den nahe gelegenen Etagen nach einem Ort, wo man etwas zu trinken bekam, und fand rasch eine Bar, die mich mit echtem Schnaps von Shand’ong versorgen konnte.
Als ich am frühen Morgen mein Quartier aufsuchte, hatte ich zwar gewisse Probleme, vom Boden aus die Kontaktfläche des Türsensors zu erreichen, aber auf die Syntronik war Verlaß, und so hatte ich danach keine Schwierigkeiten, in mein Bett zu kriechen. Und das buchstäblich.
5.
Ich wurde wach, als die Mittagssonne in mein Schlafzimmer drang und mich zum Schwitzen brachte. Mein Schädel brummte laut und heftig; das änderte sich erst, als ich ein entsprechendes Mittel einnahm und ausgiebig duschte. Aber auch ohne Brummschädel war mir nicht nach Arbeit zumute.
Verflixte Koka Szari, sie hatte mir wirklich übel mitgespielt, fast so übel wie der Fusel von Shand’ong, der einem die Ganglien kräuseln konnte.
Ich entfernte meinen Stoppelbart, zog mir frische Kleidung an und machte mich auf den Weg. Ein paar Ecken weiter - in einer Tasei-Stadt liegt praktisch alles nur ein paar Ecken weiter - fand ich ein Geschäft, in dem man frühstücken konnte. Billig war der Schuppen zwar nicht, es gab dort menschliches Personal, und nichts auf dieser Welt ist so teuer wie ein echtes freundliches Menschenlächeln. Aber das Lächeln würde lediglich auf der Spesenabrechnung für Koka Szari Misonan auftauchen, und die prüfte ohnehin niemand genau nach.
Ein erster starker Kaffee machte mich vollends wach. Danach nahm ich mir die Zeit, mich mit den neuesten Nachrichten vertraut zu machen. Der Interkom des Cafes war mit einem Drucker verbunden, und so konnte ich meine zweite Ladung Kaffee mit halblautem Zeitungsgeraschel verbinden.
Die Regierung - also Koka Szari und ihr famoser Kumpel Geo Sheremdoc - ließ verlauten, daß alles vorbereitet sei für die Evakuierung der Terraner, die Anfang März 1218 NGZ in Gang kommen sollte.
Angeblich war alles vorbereitet dafür, die rund 13 Milliarden verbliebenen Bürger der Erde und der solaren Siedlungen auf andere bewohnbare und bewohnte Welten zu verteilen, die zur Liga Freier Terraner gehörten.
Ich hatte nach wie vor meine Zweifel an der Richtigkeit dieser Meldung.
Nicht, daß ich glaubte, einer von beiden würde vorsätzlich lügen, aber wahrscheinlich machten sie sich nur etwas vor. Nach meiner Einschätzung waren die Möglichkeiten für diesen verzweifelten Plan außerordentlich gering.
Die Gründe dafür lagen auf der Hand.
Jene Mitbürger, die bereits ein Auge auf den Krempel der Hamamesch geworfen hatten, hatten für mich so ausgesehen, als würden sie sich auch vom herannahenden Kristalltod durch den Mars nicht von dem Ziel abbringen lassen, eine Hamamesch-Ware zu erstehen.
Und wenn sie es schafften - war die LFT-Führung darauf vorbereitet, nicht nur Milliarden von
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