1743 - Digital-Gespenster
Menschen, sondern auch deren Hab und Gut zu transportieren? Die Aussichten waren nicht gut. Und selbst wenn die Mehrzahl der Terraner nur sich selbst rettete und das, was sie auf der Haut trugen - diejenigen, die bereits ein Hamamesch-Stück ihr eigen nannten, würden sich niemals davon trennen wollen.
Es verstand sich von selbst, daß man all die Flüchtlinge nicht in den Suiten der Luxus-Liner, der Traumschiffe der Sterne, würde unterbringen können, wie beispielsweise der EMPRESS OF THE OUTER SPACE.
Statt dessen würde man die Menschen auf engem Raum unterbringen müssen, und dann, während des Fluges, würde wahrscheinlich jeder Passagier zwangsläufig ein Stück Hamamesch-Ware zu sehen bekommen.
Die Szenen nach der Landung wollte ich dann lieber nicht erleben. Man würde zur Evakuierung natürlich Transmitter benutzen. Der Erfolg wäre derselbe...
Nein, der Plan der Regierung erschien mir reichlich blauäugig. Er konnte funktionieren, wenn die Menschen mitspielten, aber genau das würden sie höchstwahrscheinlich nicht tun.
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und betrachtete die anderen Gäste des Cafes. Die Mienen wirkten allesamt ein wenig angespannt. Kein Wunder, es waren nur noch wenige Wochen bis zur Katastrophe, und nun kam die Hamamesch-Angelegenheit dazu. Die Leute hatten wahrhaftig ihre Probleme, mit dem Leben fertig zu werden.
Auch ich hatte meine Sorgen. Koka Szaris Ankündigung, mir mein Geld erst nach dem Kristalltod Terras auszahlen zu wollen, war sicher vor allem dazu gedacht gewesen, mich ans Arbeiten zu bekommen. Aber was wurde aus mir, wenn sie es tatsächlich tat? Und wenn nicht sie - dieser Geo Sheremdoc war genau der Mann, mich beiläufig bis zur letzten Sekunde zu piesacken. Ich hätte mich nie auf diesen Job einlassen dürfen.
Wenn man freundlich ist, wird man nur aufs Kreuz gelegt - eine alte Erfahrung.
Ich dachte so allerlei Böses vor mich hin, bis ich plötzlich wieder am Ärmel gezupft wurde. Es war meine Freundin vom gestrigen Abend, sie schaute traurig drein.
„Nanu?" fragte ich und forderte sie mit einer Handbewegung auf, sich zu mir an den Tisch zu setzen. „Wie hast du mich gefunden? Und hast du keinen Unterricht?"
„Heute nicht", griente sie, sichtlich froh gestimmt. „Jemand hat die Speicherkristalle unseres Schulsyntrons geklaut. Und gefunden habe ich dich einfach so. Zufall."
„Wie praktisch", kommentierte ich. „Magst du etwas? Buntes Eis?
Schokolade, Kekse?"
Sie schüttelte den Kopf.
„Das macht dick", belehrte sie mich altklug, und daß sie dabei geflissentlich an mir vorbei ins Leere blickte, war im Endergebnis nicht so höflich, wie sie vielleicht geglaubt hatte. „Ich will Blutsuppe!"
Blutsuppe erwies sich keineswegs als Soft Drink für Vampire, sondern war eine leicht dickliche, dunkelrote Flüssigkeit, die stark nach Früchten roch und für meinen Geschmack zu süß war. Darin schwammen kleine gelbe Körner herum, die sich in dem Saft langsam auflösten und damit einen optischen Gesamteindruck vermittelten, der bestens zu meiner Stimmungslage paßte.
„Na, sind die Gespenster zurückgekommen?"
Sie schüttelte den Kopf, daß ihre Zöpfe flogen.
„Nein", sagte sie eifrig. „Heute nicht. Sag mal, kennst du dich mit Erwachsenen aus?"
Wider Willen mußte ich grinsen. Ja, die Abgründe der Menschenseele waren mir wohlvertraut. Die wenigen lichten Seiten der menschlichen Natur hingegen kannte ich nicht so gut. Woher auch? Bei den Leuten, mit denen ich für gewöhnlich Umgang hatte?
„Ein bißchen. Worum geht es?"
„Ich glaube, Mom und Dad haben sich gezankt."
„Das tun Erwachsene manchmal", klärte ich sie auf. „Hast du deinem Freund Pubert noch nie eine gescheuert?"
„Natürlich, aber da war’s nötig", antwortete sie. „Aber Mom und Dad sitzen nur in der Wohnung herum und sagen kein Wort. Und sie gucken so komisch. Und mich sehen sie gar nicht mehr."
Ich hatte sofort einen gewissen Verdacht und zückte meinen Klein-Syntron.
„Wie heißen denn deine Eltern? Und deinen Namen kenne ich überhaupt noch nicht."
„Ich bin Valerie", stellte sie sich vor. „Und meine Eltern sind Danko und Irina Grath." Geradezu stolz sah sie mich an. „Und verheiratet sind sie auch."
„Prächtig", murmelte ich und gab die Namen in meinen Syntron ein.
Der forschte ein bißchen, auf legalem Weg natürlich. Die Rückmeldung ließ nicht lange auf sich warten.
Von wegen Subaqua-Party. Die beiden hatten die letzte Nacht zu einem Ausflug nach
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