1744 - Der lebende Alptraum
Fan zurückgehalten, jetzt wurde er leicht nervös und raffte sich letztendlich dazu auf, eine Frage zu stellen.
»He, was habt ihr vor?«
»Wir unternehmen einen kleinen Ausflug«, erklärte ich.
»Und wohin?«
»Zur Insel!«
Ich hatte ihn bei meiner Antwort nicht aus den Augen gelassen. Bisher war er gelassen geblieben, nun aber weiteten sich für einen Moment seine Augen, und er zuckte auch zusammen. Für mich ein Zeichen, dass wir uns auf dem richtigen Weg befanden.
»Und was wollt ihr dort?«
»Es könnte ja sein, dass wir jemanden treffen. Oder liege ich mit meiner Vermutung falsch?«
Er senkte den Blick, flüsterte etwas vor sich hin und hörte – ebenso wie ich – Sukos Stimme.
»Ab ins Boot.«
Archie bekam große Augen. »Ich auch?«
»Aber sicher doch, mein Freund. Du willst doch deinem großen Vorbild nahe sein. Und das ist bestimmt auf der Insel möglich. Oder bist du anderer Meinung?«
Er sagte nicht, ob er es war, aber er sah auch keine Chance, uns zu entkommen. Suko hatte den Kahn schon fast ins Wasser geschoben. Nur ein kleiner Teil befand sich noch auf dem Trockenen. Ich half dem gefesselten Archie beim Einsteigen. Der Kahn bewegte sich, und Archie sackte sofort zusammen, weil er Probleme mit dem Gleichgewicht bekam.
Dann war ich an der Reihe. Ich stieß den Kahn noch mit einem Fuß ab, und Suko hielt bereits die Ruderstangen in den Händen.
»Es geht los«, sagte er und zog die Riemen durch...
***
Archie Golding hockte zwischen Suko und mir. Er hatte sich geduckt und musste sich vorkommen wie ein Häufchen Elend. Sein Plan war zunichte gemacht worden. Er würde den großen Star nicht so empfangen können, wie er es sich vorgestellt hatte.
Die Insel lag im See, aber von uns aus gesehen nicht in der Mitte, sondern näher an unserer Seite. Wir mussten also keine so große Strecke zurücklegen. Da ich mit dem Rücken zur Insel saß, musste ich mich umdrehen, um etwas zu erkennen, was in der Dunkelheit nicht ganz einfach war.
Aber es dauerte nicht lange, da meldete sich Suko, der eine bessere Sicht hatte.
»Ich sehe sie.«
»Und?«
»Es tut sich nichts.«
»Das ist gut.«
Archie hatte unseren kurzen Dialog gehört. Er hob den Kopf an. Sein Blick flackerte unstet. Er schien etwas fragen zu wollen, traute sich aber nicht.
»Keine Sorge«, beruhigte ich ihn. »Dein Freund und Meister ist noch nicht da.«
»Euer Glück. So könnt ihr noch etwas länger leben.«
Ich lächelte nur und schüttelte den Kopf. Doch schnell wurde ich wieder ernst und sprach davon, dass diese dämonischen Gestalten keine Rücksicht auf Verlierer nahmen.
Er sprang darauf an. »Meinen Sie mich?«
»Ja.«
Da lachte er, aber es hörte sich nicht wirklich echt an. »Ich bin kein Verlierer. Ich werde ein Gewinner sein.«
Überzeugend hatte sich die Antwort nicht angehört und er sah auch, dass ich den Kopf schüttelte.
»Achtung, wir sind gleich da!«
Ich ließ Archie in Ruhe und sah, dass wir die Insel tatsächlich fast erreicht hatten. Sie ragte wie eine dunkle Mauer vor uns auf, aber als wir weiter glitten, da war zu sehen, dass diese Mauer Lücken hatte, und wir erkannten einen flachen, etwas helleren Uferstreifen.
Schon bald kratzte es unter dem Kiel, und das Boot lief sich fest. Suko holte die Ruderstangen ein.
»Willkommen auf der Insel.«
Ich richtete mich auf und zog Golding hoch, dessen Hände noch immer gefesselt waren. Vor Suko betraten wir den festen Boden. Viel entdeckten wir nicht. Es war zu dunkel. Zudem war die Insel bewachsen, da wurde uns viel von der Sicht genommen. Aber es gab auch freie Stellen, von denen man bis zu den beiden Ufern des Sees blicken konnte. Aber nur im Hellen. In der Dunkelheit sahen wir das Ufer, von dem aus wir gestartet waren, nur als einen schwachen Schatten, der kein Ende und keinen Anfang hatte.
Da tat sich nichts. Kein Fan kam, um auf Azur zu warten, es war und blieb ruhig. Mir kamen Zweifel, ob wir das Richtige getan hatten.
Ich sprach mit Suko darüber.
»Warten wir ab«, sagte er.
Archie Golding sagte nichts. Er war unruhiger geworden. Er stand in unserer Nähe und drehte sich des Öfteren um die eigene Achse, weil er irgendetwas zu suchen schien. Anscheinend lagen wir doch richtig.
Ich sprach ihn an. »Spürst du ihn schon? Ist er auf dem Weg?«
Golding nickte nur. Das hatte ich von ihm nicht erwartet. »He, du merkst, dass sich etwas tut?«
»Ja.«
»Und wo?«
Er hob die gefesselten Hände. »Ich spüre es einfach. Er ist nah, er wird
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