1748 - Pakt mit dem Jenseits
ernst.
Ich sagte darauf nichts, ließ aber meinen Gedanken freie Bahn und kam zu einem Punkt, den ich keinesfalls außer Acht lassen wollte.
Dabei erinnerte ich mich daran, dass auch ich vor Erscheinen des Jungen etwas gespürt hatte. Es war so anders gewesen, und ich hatte es nicht einschätzen können. Als hätte sich hier in der Nähe etwas aufgehalten, das nicht in diese Welt gehörte. Es konnte mehr dahinterstecken, als wir zu sehen in der Lage waren.
Ich sprach wieder den Jungen an. »Du bist nicht zum ersten Mal hier, denke ich.«
»Genau.«
»Und wie verhältst du dich, wenn du hier stehst und über den See schaust?«
Er lächelte. »Ich tue nichts. Ich – ich – warte.«
Die Antwort kannte ich bereits. Dennoch frage ich weiter. »Worauf wartest du denn?«
»Auf Indira. Auf meine Schwester.«
»Die Tote also?«
»Ja.« Sein Gesicht verschloss sich. »Ihr denkt immer falsch. Ich weiß es besser. Indira ist tot und lebt trotzdem. Das weiß ich sehr genau.«
»Schön und weiter? Was passiert denn dann?«
Er zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich war ich bei meiner Fragerei nicht sensibel genug vorgegangen, jedenfalls sah er aus, als wollte er nichts mehr sagen. Er schaute zu Boden, hob danach den Kopf ruckartig wieder an, und das war so etwas wie ein Startsignal, denn er blieb nicht mehr stehen.
Jason ging einfach weiter. Er schob sich an mir und Suko vorbei und tat so, als wären wir gar nicht vorhanden.
»Er scheint sauer zu sein«, flüsterte Suko mir zu.
»Kann sein.«
»Aber irgendetwas hat er vor«, murmelte Suko.
Da mochte er richtig liegen. Wir hatten uns beide umgedreht und schauten auf den Rücken des Jungen, der noch ein paar Schritte ging und dann am Ufer anhielt. Von hier blickte er über den See hinweg bis hin zum anderen Ufer, wobei ich mir vorstellen konnte, dass er dies gar nicht mal so wahrnahm, denn er hielt den Kopf um eine Idee gesenkt.
»Der starrt auf die Seemitte«, meinte Suko.
»Klar, er wartet auf etwas.«
»Denkst du an seine Schwester?«
»Woran sonst?«
Suko zog ein Gesicht, als könnte er mir nicht glauben. Ich dachte da anders. Der Junge kam mir nicht vor wie ein Spinner und auch nicht wie jemand, der unter dem Tod seiner Schwester so gelitten hatte, dass er einen geistigen Defekt abbekommen hatte. Dahinter steckte schon mehr und zwar etwas Ernstes.
Es blieb weiterhin ruhig in dieser Gegend. So gelang es uns, das Flüstern zu hören, das nicht von irgendwelchen Windgeräuschen stammte, sondern aus dem Mund des Jungen drang.
Es war für uns nicht zu erkennen, mit wem er sprach. Er schickte seine Worte über das Wasser, als sollten sie dort jemanden erreichen, der nur für ihn existent war.
Es wurde spannend. Wir blieben stehen und wagten nicht, ihn zu stören. Ich spürte, dass sich etwas tun würde. Wir hatten es hier wirklich mit einem Phänomen zu tun, und dies zeigte sich in den folgenden Sekunden.
Es bezog sich auf das Wasser, das an einer bestimmten Stelle eine andere Färbung annahm. Nicht nahe am Ufer, sondern mehr in der Mitte des Sees.
Bisher hatte auch ich nicht so recht daran glauben wollen, dass mit der toten jungen Frau etwas nicht stimmte, doch nun begann mein Umdenken. Was ich da mit ansah, das war nicht normal. In einem bestimmten Gebiet in Richtung Seemitte war die Veränderung zu erkennen.
Das Wasser blieb, doch es verlor seine Färbung. Das Dunkle verschwand und machte dem Platz, was aus der Tiefe an die Oberfläche drang und für uns kaum zu erklären war.
Wir sahen nur, um was es sich handelte. Es war ein heller Schein, für den man auch ein anderes Wort einsetzen konnte.
Licht...
Ja, hier stieg aus der dunklen Tiefe etwas in die Höhe und breitete sich kreisförmig aus.
Ich wusste nicht, worum es sich handelte. Der Junge jedoch sah das anders. Wie ein kleiner Magier streckte er seine Arme aus, als wollte er dem Element Wasser befehlen, nur das zu tun, was er für richtig hielt.
Wir schoben uns noch näher an ihn heran und sahen jetzt, dass er die Lippen bewegte. Er sagte etwas, was wir nicht verstanden, doch das änderte sich.
Er fing an zu sprechen, und wir bekamen ganz große Ohren.
»Indira!«, rief er leise. »Bitte, Indira, komm zu mir. Ich weiß, dass du da bist...«
Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Er hatte tatsächlich seine Schwester gerufen...
***
Es war alles normal in unserer Umgebung geblieben. Dennoch hatte sich etwas verändert, was nicht sichtbar war. Es war schwer zu erklären, doch dachte ich daran,
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