1748 - Pakt mit dem Jenseits
dass ein gewisser Zauber in der Luft lag.
Ja, so und nicht anders war es. Es war zu spüren, ich merkte auch, dass sich auf meinem Gesicht eine zweite Haut gebildet hatte, und warf Suko einen Blick zu.
Auch der hatte etwas gespürt. Er stand starr auf dem Fleck und hatte die Stirn in Falten gelegt. Ansprechen wollte ich ihn nicht, um die Atmosphäre nicht zu zerstören.
Der Junge hatte uns völlig vergessen und rief erneut nach seiner Schwester.
»Bitte, Indira, ich weiß, dass du da bist. Bitte, du musst zu mir kommen. Ich liebe dich...«
Das Licht blieb. Ob sich allerdings in seinem Mittelpunkt etwas zeigte, sahen wir nicht. Unsere Sichtperspektive war einfach zu schlecht. Wir mussten uns weiterhin auf die Helligkeit verlassen, die wie ein Schirm auf der dunkleren Wasserfläche lag.
Zeigte sich Indira?
Ja, das tat sie. Zumindest für den Jungen, der plötzlich anfing zu sprechen.
»Da bist du ja, Indira. Ich wusste es. Bitte, ich will dich zurückhaben. Du hast mal versprochen, dass der Tod nicht das Ende ist. Du hast darauf gewartet, ein Vogel zu sein. Und das glaube ich nun. Du bist bei ihnen...«
Seine Stimme verklang. Suko und ich warteten atemlos, was als Nächstes passieren würde. Noch tat sich nichts. Nur das Wasser blieb weiterhin hell.
Ich tastete nach meinem Kreuz und spürte dort keine Veränderung. Das konnte ich durchaus als positiv ansehen, es war also nichts passiert, was uns gefährlich werden konnte.
Die Stille blieb. Sie war noch immer anders, denn sie lockte uns, noch eine Weile zu bleiben. Es war durchaus möglich, dass wir noch eine Überraschung erlebten. Darauf setzte ich. Das sagte mir auch das Verhalten des Jungen.
Es passierte dann sehr schnell. Und alles begann mit einem leisen Jubelschrei. Zuerst war ich irritiert. Wenig später sah ich, dass der Junge sich nicht grundlos gemeldet hatte, denn aus dem Wasser hervor stieg etwas in die Höhe. Es löste sich dabei von der Oberfläche, und wieder musste man von dem Begriff Licht ausgehen. Nur hatte sich die Helligkeit hier für eine andere Form entschieden. Sie sah aus wie eine Säule, die in die Höhe glitt und an ihrem unteren Ende noch so wirkte, als hinge sie dort fest.
Der Junge starrte sie an. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt. Für ihn gab es nur dieses Bild, und es war zu befürchten, dass er den Ort hier verlassen würde, um in das Wasser zu gehen.
Er tat es nicht, denn auch vom Ufer aus sahen wir, was sich da auf der Seemitte tat. In der Lichtsäule zeichnete sich etwas ab. Es war dunkler als die Umgebung. Eine Gestalt, die tatsächlich menschliche Umrisse hatte.
War das der Geist der Schwester?
Es gab keine andere Erklärung. Wer sonst sollte sich dort zeigen? Und hatte Jason Monkford nicht von einem Engel gesprochen, zu dem seine Schwester geworden war?
Nun schienen sich seine Ahnungen zu bestätigen. Hier war tatsächlich etwas passiert, für das es keine normale Erklärung gab. Genau das waren wir gewohnt und sahen es als richtig an, dass wir uns hier aufhielten.
Innerhalb der Lichtsäule war zwar eine Gestalt zu sehen, aber man musste sie als Umriss bezeichnen, denn mehr sahen wir nicht von ihr. Es gab kein Gesicht, auch Arme und Beine waren für uns nicht zu erkennen.
Ich atmete tief durch. Allmählich hatte ich mich an den Anblick gewöhnt. Ich spürte kein Gefühl der Angst. Hier war zwar einiges aus dem normalen Ruder gelaufen, doch ich erlag dabei dieser Faszination. Zudem wusste ich, dass es Engel gab. Mit ihnen hatte ich schon die außergewöhnlichsten Dinge erlebt.
War sie ein Geist? War es der Geist der toten Schwester? Diese Frage stellte ich mir, als es passierte. Die Lichtsäule sank zusammen, und damit verschwand auch die Gestalt, die wir so zittrig gesehen hatten.
Es war vorbei. Das Wasser nahm wieder seine normale Färbung an. Die Helligkeit verschwand, als hätte jemand das Licht ausgeschaltet.
Keiner sprach. Jetzt hörte ich sogar das leise Säuseln des Windes. Und wir sahen, dass sich der Junge langsam umdrehte und nickte. Es sah nicht uns, es sah vielmehr aus, als wollte er sich selbst bestätigen. Einige Sekunden blieb er noch in der nachdenklichen Pose stehen. Dann gab er sich einen Ruck und ging auf uns zu.
Sein Gesichtsausdruck hatte sich leicht verändert. Er wirkte zufriedener. So sah ein Mensch aus, der eine Bestätigung dafür erhalten hatte, woran er schon immer geglaubt hatte. Als er merkte, dass wir ihm im Weg standen, stoppte er.
»Wie geht es dir?«, fragte ich
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