1751 - Flucht ins Verderben
die beiden Bodyguards, die sein Verschwinden nicht hatten verhindern können.
Er musste auf die beiden fremden Männer vertrauen, doch sie hatten sich bisher nicht gemeldet, und das vergrößerte seine Sorge noch.
Die Zeit verstrich. Er trank hin und wieder einen Schluck. Wenigstens die kleine Freude wollte er sich gönnen.
Er saß hinter dem kleinen Schreibtisch und schaute auf den Bildschirmschoner seines Laptops. Das Motiv sollte beruhigend sein. Einen Sonnenuntergang über dem Meer, doch auch das Bild konnte ihn nicht beruhigen.
Marcel Cordes war es gewohnt, mit stressigen Situationen umzugehen. Nur war ihm die Kontrolle aus der Hand geglitten, die er eigentlich auch nie richtig besessen hatte.
Mit einem letzten Schluck leerte er das Glas und wollte es wieder abstellen, als es an der Tür klopfte. Cordes schrak leicht zusammen, rief aber sein Herein, und die Tür wurde von einer schmalen Frauenhand geöffnet.
Sekunden später schob sich die blonde Colette Renard ins Zimmer. »Störe ich?«, fragte sie.
»Nein, ganz und gar nicht. Komm rein und setz dich.«
»Danke.«
Colette ging auf einen der beiden kleinen Sessel zu und ließ sich dort nieder. Sie sah nicht mehr so aus wie am Tag. Sie hatte sich umgezogen und dabei die geschäftliche Strenge ihres Outfits völlig verloren. Jetzt trug sie eine bequeme Hose und einen weich fallenden Kaschmirpullover, der ihr bis zu den Oberschenkeln reichte.
»Möchtest du auch einen Drink?«
»Gern.«
»Okay.« Es gab auch noch ein zweites Glas, das Cordes an sich nahm und einen guten Schluck des edlen Getränks eingoss. Er gönnte sich auch noch ein Glas, dann setzte er sich in den zweiten kleinen Sessel, der neben dem ersten stand.
»Santé, Colette.«
»Ja, auf uns.«
Die Gläser stießen gegeneinander, und beide Menschen lauschten dem Klang.
Colette fuhr mit den Fingern durch ihre blonde Mähne, die jetzt recht wild aussah. Ihr Blick war ernst.
»Hat man Schröder gefunden?«, fragte sie.
»Nein, hat man nicht.«
»Merde.«
»Du sagst es.«
»Und wie geht es weiter?«
Cordes legte den Kopf zurück und lachte leise. »Ich weiß es nicht, Colette. Ich weiß es wirklich nicht. Ich bin von den Ereignissen ebenso überrumpelt worden wie du.«
»Ja, das sehe ich ein, Marcel. Aber du bist ein Mensch, der sich Gedanken macht, wenn etwas Gravierendes passiert. Das weiß ich auch.«
»Genau.«
»Und wie sehen deine Gedanken aus? Oder wie haben sie ausgesehen? Kannst du darüber sprechen?«
»Ja, warum nicht? Aber es wird nichts bringen. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich kenne keinen Grund für diese Vorfälle, und du weißt selbst, dass in der Welt nichts grundlos passiert. Ich stehe vor einem Rätsel.«
Colette Renard nickte. »Das bereits ein Menschenleben gekostet hat.«
»Mindestens eines.«
»Das ist richtig.«
Colette griff in die Hosentasche und holte ein schmales Etui hervor. Sie klappte es auf und entnahm ihm eine schmale Zigarette mit weißem Mundstück.
»Darf ich rauchen?«
»Klar. Ein Aschenbecher steht neben dir.«
»Danke.« Feuer hatte sie auch und blies den ersten Rauch bald von sich. »Ich habe ja auch nachgedacht«, sagte sie, »und bin zu dem Schluss gekommen, dass wir hier in einer Falle stecken. Wir werden von einem Mörder beobachtet, der sich schon zwei Menschen geholt hat. Ich rechne Walter Schröder mit dazu.« Sie sah Cordes fragend an. »Du verstehst?«
»Ja, ja, sprich weiter.«
»Und nun muss ich davon ausgehen, dass es nicht bei den beiden bleibt. Dass sie erst der Anfang sind und wir noch einige Überraschungen erleben werden.«
»Du meinst, dass wir auch auf der Liste stehen?«
»Davon müssen wir ausgehen.«
Cordes trank und nickte, bevor er eine Frage stellte. »Und was sollte das für einen Sinn haben? Hast du darüber nachgedacht? Hängt es vielleicht mit unserem Treffen zusammen?«
Colette drückte die Zigarette aus. »Sollte man meinen...«
»Aber?«
»Ich bin mir nicht sicher. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine andere Seite, wer immer sie auch sein mag, zu so primitiven Mitteln greifen wird.«
»Primitiv ja, aber auch wirkungsvoll. Trotzdem gebe ich dir recht. Auch ich kann mir das nicht vorstellen. Es muss etwas ganz anderes dahinterstecken.«
»Und was?«
»Ich weiß es nicht. Ich kann mir auch nichts vorstellen. Dafür reicht meine Fantasie einfach nicht aus.«
»Meine auch nicht, Marcel. Ich komme mir trotzdem vor wie jemand, der in einer Falle sitzt.« Sie trank ihr Glas leer.
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