1759 - Engelslicht
etwas wie eine Warnung, die mich erreichte, und ich blieb stehen.
Es war still um mich herum. Niemand warnte mich. Keiner nahm mit mir Kontakt auf. Ich stand da, atmete nur durch die Nasenlöcher und schaute nach vorn.
Ich ging nicht weiter.
Dafür senkte ich den Blick. Und darauf schien die andere Seite oder wer immer sie sein mochte, gewartet zu haben. Sie offenbarte sich. Sie zeigte, wer sie war und dass es sie gab. Vor und unter mir verschwand die Schwärze. Sie graute auf, und das lief nicht besonders schnell ab. Ich konnte zuschauen, wie die dunkle Flut zur Seite glitt. Die Mitte hellte sich auf, und jetzt wusste ich nicht, ob unter mir oder in gleicher Höhe die Gestalt stand, die ich sah.
Sie war groß.
Sie strömte etwas aus, das bei mir alles andere als ein gutes Gefühl hinterließ. Auf mich wirkte sie wie versteinert, weil sie sich nicht bewegte. Sie war auch grau und trug so etwas wie ein Gewand, das ihr bis zu den Füßen reichte. Ob sie bewaffnet war, sah ich nicht, musste jedoch zugeben, dass moderne Waffen nicht zu ihr passten. Eine wie sie oder einer wie er trug ein Schwert.
Sie sagte nichts, aber ich erlebte eine Reaktion, denn an meinem Kreuz erhellte sich ein Buchstabe. Es war der am unteren Ende, es war das U!
Es fiel mir sofort auf, weil ein Reflex meine Augen erreichte. Es war hell, und ich musste von einem silbrigen Flimmern ausgehen. Mein Blick richtete ich auf das U, aber ich erlebte keinen Wärmestoß. Es blieb alles normal.
Aber wer war die Gestalt vor oder unter mir? Eine die im Raum schwebte, die aussah wie ein Mensch und letztendlich doch keiner war, obwohl sie eine menschliche Figur hatte.
Okay, ich sah sie, aber ich sah sie leider nicht so genau, wie ich es mir gewünscht hätte, und das musste ich ändern. Bei der Lichtveränderung vor mir hatte ich meine Lampe ausgeschaltet. Jetzt schaltete ich sie wieder ein und richtete den Strahl gegen das Gesicht. Er wurde auf seinem Weg dorthin auch nicht verschluckt, und so traf er das Gesicht, das so starr wirkte. Als hätte man es aus Stein gemeißelt, was auch sein konnte, denn mittlerweile konnte mich nichts mehr erschüttern.
Wer je diese Figuren in den Kirchen und Kathedralen gesehen hat oder auch die Denkmäler in den Schlössern, der kann nachvollziehen, was ich da zu sehen bekam.
Ein Monster war es nicht. Man konnte im ersten Moment an eine Heiligenfigur denken, was ich auch nicht wollte. Das hier war etwas ganz anderes.
Nein, kein Heiliger. Einer, der auch nicht neutral war, obwohl er so aussah. Ich fühlte mich sogar innerlich aufgewühlt, weil mir plötzlich ein bestimmter Gedanke gekommen war.
Uriel!
Ja, daran dachte ich. Und ich glaubte nicht, dass ich verkehrt gedacht hatte. Uriel, der Flammenengel, der Engel des Feuers, der sich auch auf meinem Kreuz verewigt hatte. Das war es. Für mich gab es keinen Zweifel, und je länger ich ihn anschaute, umso stärker kristallisierte sich ein Gedanke hervor.
Uriel stand nicht mehr auf meiner Seite!
***
Nach diesem Gedanken hätte ich beinahe nach Luft geschnappt. Es war natürlich eine ketzerische Überlegung gewesen, aber auch Toby Hoppers Verschwinden hatte dazu beigetragen, dass ich so dachte.
Dann gab es noch einen anderen Grund. Uriel stand ja nicht für sich allein. Es gab noch die Insignien der drei anderen Erzengel auf meinem Kreuz.
Michael, Gabriel, Raphael!
Der Gedanke kam mir, als ich den Blick senkte und mir das Kreuz anschaute. Mein Herz klopfte schneller. Ich wünschte mir die Hilfe der anderen drei Erzengel, doch da tat sich nichts. Ich erhielt kein Zeichen aus dieser Richtung. Sie schienen sich für mich gar nicht zu interessieren. Ich musste mit dem Problem schon allein zurechtkommen.
Ich warf einen Blick zurück.
Der Wagen war zu sehen. Auch Craig Nelson, der wie eine Figur neben ihm stand und sich nicht rührte. Hinter dem Rover waren die beiden U’s zu sehen, die weiterhin ihr Licht abstrahlten, und ich fragte mich, welche Rolle sie noch spielten.
Es war jetzt wichtig, dass ich die Gestalt im Auge behielt. Für mich war es so etwas wie ein Anfang, und ich wollte endlich mehr über sie erfahren.
Zwar sah sie aus wie eine Steinfigur, aber ich glaube nicht daran, dass sie tatsächlich eine war. Sie würde reden und sich bewegen können, ich musste es nur aus ihr hervorlocken. Noch hatten wir nicht miteinander kommuniziert, aber das würde sich ändern, davon ging ich aus.
Ich sprach ihn mit halblauter Stimme an.
»Wer bist du? Bist du Uriel?
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