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176 - Insel der Fledermäuse

176 - Insel der Fledermäuse

Titel: 176 - Insel der Fledermäuse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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sie sich über ihre Reaktion. Der Feuerschein glomm mindestens zwei Speerwürfe oberhalb ihres Standorts. Dort würde man ihre Gestalten, geblendet vom eigenen Licht, sicherlich nicht erkennen.
    Lange Schatten tanzten über die Felswand. Aruula erahnte die Batangs mehr, als sie sie tatsächlich erkennen konnte. Aber wer, bei Orguudoo, hatte das Feuer entzündet? Saßen Daa'muren dort oben? Gaben sie den ihren hörigen Tieren neue Anweisungen? Malträtierten und folterten sie Yngve?
    Die Kehle wurde ihr eng. Sie musste dort hinauf, so rasch wie möglich! »Warum hast du uns eigentlich hierher geführt?«, fragte sie. »Hätten wir dem Offenen Kreis nicht ausweichen und den Berg von der Flanke her besteigen können?«
    »Es gibt viele Wege den Aypayat hinauf«, antwortete Chaang. »Aber dieser hier ist der schnellste.«
    Er deutete auf jenen mannshohen Pfahl, der im Zentrum des Ahnenkreises stand. Ein lang gezogenes Gesicht starrte ihnen mit offenem Mund entgegen. Ohne falsche Scheu griff Chaang in die Öffnung, betätigte einen versteckten Mechanismus – und augenblicklich schob sich hinter dem Pfahl ein Teil des Erdbodens grollend beiseite.
    »So gelangen wir ins Innere des Aypayat«, sagte Chaang zur verdutzten Aruula. »Ich kenne nur die wenigsten Gänge; jene, die mit Zinken und Zeichen versehen sind. Angeblich gibt es so viele Wege und Labyrinthe, dass man ein Leben dafür bräuchte, sie alle zu erkunden. Sollen wir es trotzdem wagen?«
    Der Junge blickte Aruula fragend an.
    Sie schickte ein Stoßgebet an ihre Götter, riss, einer Eingebung folgend, eine Handvoll Grashalme aus und nickte schließlich entschlossen.
    ***
    Fackelholz, Stoff und Brennmaterial in Lederflaschen lagen griffbereit neben den ersten Stufen, die in den Boden hinab führten. Aruula nahm ausreichend von allem. Sie warf einen letzten Blick auf das Feuer am Aypayat und versuchte sich die wenigen markanten Stellen der Felswände, die sie in der Dunkelheit erkennen konnte, einzuprägen. Dabei steckte sie sich mehr und mehr der süßbitter schmeckenden Grashalme in den Mund und kaute sie gründlich durch.
    Chaang brachte die erste Fackel zum Leuchten und marschierte wie gehabt voran. Bei Wudan – was stank das Zeug; schwerer Rauch umgab sie und zog nur zögerlich nach oben ab.
    Sobald sie die letzten Stufen, mindestens zehn Meter unter Bodenniveau, hinter sich hatten, schloss sich der gut getarnte Höhlenzugang. Irgendwo musste es zu ihrem Glück weitere Spalten und Öffnungen geben, denn die Rauchentwicklung der Fackel nahm nicht weiter zu.
    »Warum haben die Mooken dieses Labyrinth angelegt?«, fragte Aruula leise. Sie griff über das raue, schorfige Gestein.
    »Menschen haben damit nichts zu tun«, antwortete Chaang. »Durch diese Gänge und Kanäle ist in jener Zeit, als Aypayat die ersten Menschen ausspuckte, heißes Feuer geronnen. Als die Arbeit des Berggotts getan war, schlief er ein. Die Hitze zog sich weit unters Meer zurück und hinterließ nichts als übel riechende Luft. Es geht die Fama, dass die ersten Mooken, die Karimun betraten, den Offenen Kreis deshalb neben diesem Eingang anlegten, weil sie wollten, dass die Geister der Vorfahren hier besonders nahe zu ihrem Schöpfer ruhen und mit ihm sprechen konnten.«
    Chaang blieb stehen, betrachtete seltsame Russzeichen an der Wand zwischen zwei Abzweigungen und nahm schließlich den rechten Gang.
    »Es geht abwärts hier«, sagte Aruula misstrauisch.
    »Bist du dir denn sicher, die richtige Wahl zu treffen?«
    »Wir vertrauen den Zinken«, gab der Junge lapidar zur Antwort.
    Die Barbarin fühlte sich unwohl. Der Kampf gegen einen unbekannten Gegner mit langen, kräftigen Chitinfühlern im Labyrinth der Alten lag noch keinem halben Tag zurück. Sie hatte keine gesteigerte Lust, in eine ähnliche Situation zu geraten. Immer wieder drehte sie sich um und achtete auf das leiseste Geräusch.
    Der Gang, den sie betraten, führte mehrere Meter abwärts, wandte sich dann nach rechts und endete schließlich in einem mit Wasser gefülltem Höhlenloch.
    Aruula blickte nach oben. Es war kein Ende des Kamins zu sehen. Ein Knotenseil baumelte aus der Schwärze herab. Irgendjemand hatte zusätzliche Einkerbungen in das Gestein gehauen, sodass man sich leidlich bequem hoch ziehen konnte.
    »Ich gehe nun voran«, raunte Aruula. Niemand konnte sagen, wie weit der Hall in diesem Höhlenlabyrinth trug.
    »Du wartest, bis ich dir ein Zeichen gebe.« Sie sprang hinüber zum mehrfach gedrehten Seil. Es

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