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176 - Insel der Fledermäuse

176 - Insel der Fledermäuse

Titel: 176 - Insel der Fledermäuse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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her. Die durchgewetzten Sohlen seiner Lederschuhe flappten hoch und nieder. Der Junge besaß unglaubliche Ausdauer, wenn man bedachte, dass er diese Art der Fortbewegung kaum gewohnt war.
    Sein Element waren das Wasser und die Enge der Kabaangs.
    Die Gewächse des Urwalds wichen immer mehr zur Seite, je höher sie kamen. Knorrige Baumgewächse prägten das Hochland, durch das sie sich nun bewegten.
    Immer wieder blickte Aruula nach oben in den dunklen Himmel. Die Wolken zogen wie fast jeden Abend auseinander und machten einem klaren Sternenhimmel Platz.
    Die Londoner Bateras, die Maddrax »Fledermäuse« genannt hatte, waren nachtaktive Tiere gewesen, deren Sinne in der Dunkelheit wesentlich besser funktioniert hatten als die ihren. Besaßen die Batangs ähnliche Eigenschaften?
    Wir sollten hier bleiben und bis zum Anbruch der Helligkeit ruhen , sagte sich Aruula. In diesem offenen Gelände geben wir ein ideales Ziel für unsere Feinde ab.
    Trotzdem hetzte sie weiter, von der Sorge um Yngve getrieben. Der Halbmond schenkte ihnen zumindest ausreichend Licht, um den Weg zu erkennen. Darüber hinaus führte sie Chaang mit traumwandlerischer Sicherheit, als wäre er hier schon tausend Mal gewesen.
    »Wer einmal beim Aypayat war, vergisst es nie wieder«, keuchte der Junge auf ihre Frage. »Ich könnte dem Weg mit geschlossenen Augen folgen.« Er deutete in der Dunkelheit nach vorne.
    Der Aypayat zeichnete sich schwach gegen den Sternenhimmel ab. Kegelartig ragte er nach oben, wölbte sich vielleicht weitere drei- oder vierhundert Meter hoch, um in einem breiten Krater zu enden.
    »Es geht die Sage, dass hier vor unzähligen Jahren mehrere große Brocken flüssigen Gesteins in den Himmel gespien wurden, so hoch und so weit, dass sie ins Seewasser fielen und dort erstarrten. Die Vorfahren der Neen Lobon schwebten bereits damals über Karimun. Sie begrüßten die langsam zum Meeresgrund hinab sinkenden Brocken und hauchten ihnen erstes Leben ein, sodass sie die Kraft fanden, an die Wasseroberfläche zu gelangen und zu überleben. So sind die ersten Menschen entstanden.«
    Aruula nickte, während sie ihm hinterher hastete. Jede Kultur besaß ihren eigenen Schöpfungsglauben. Dies wusste und respektierte sie. Auch wenn selbstverständlich feststand, dass Wudan den Menschen geschaffen hatte.
    »Dort vorne ist der Of ene Kreis «, riss Chaang Aruula aus ihren Gedanken. »Dahinter beginnt der letzte Anstieg zum Gipfel des Aypayat. Achte bitte darauf, dass du die Neen Lobon nicht berührst.«
    Stumm marschierten sie in das spiralförmig angeordnete Labyrinth der Pfahl-Ahnen. Hier, im Hochland, wehte ständig eine sanfte Brise von Westen her. Sie brachte die durchlöcherten Holzstelen zum Singen. Die Melodien verdichteten sich, je weiter sie ins Innere des Heiligtums vordrangen, zu einem vielstimmigen Chor, dessen einzelne Stimmen einander im friedlichen Wettstreit zu übertrumpfen versuchten.
    Aruula hatte Mühe, sich auf ihr Ziel zu konzentrieren.
    Viel lieber wäre sie hier geblieben, hätte sich auf den Boden gesetzt und den Erzählungen der alten Gatchas gelauscht. Auch wenn sie sich tief in ihre Neen Lobon verkrochen haben mochten, so wehte doch ein besonderer Geist durch diesen geheiligten Ort.
    Das Zentrum der in konzentrischen Kreisen angelegten Pfahlreihen war erreicht. Die Hölzer hier waren wesentlich kleiner und verwittert, die Schnitzgesichter der Ahnen kaum noch zu erkennen. Und dennoch strahlten gerade die ältesten Teile des Offenen Kreises noch viel mehr aus als die äußeren.
    »Beeindruckend, nicht wahr?« Auch Chaang war stehen geblieben und zu ihr getreten.
    »Dies hier ist einer der schönsten Orte, die ich jemals gesehen habe«, sagte Aruula.
    »Wenn ich daran denke, dass Karimun und ganz besonders unsere Heiligtümer von den Batangs entehrt werden, dann…« Chaang ballte die Hände und zitterte vor Wut.
    Aruula legte ihm besänftigend den Arm auf die Schulter. »Zuerst befreien wir Yngve. Dann vertreiben wir die Batangs – oder jene, die hinter ihnen stehen.«
    Einmal mehr erwischte sie sich dabei, wie sie sich vom Zauber der Neen Lobon einfangen ließ. Die Ahnen lockten, besänftigten ihren Geist, nahmen all die Unruhe aus ihr, die sie seit Jahr und Tag vorwärts trieb…
    Die Barbarin seufzte tief. Ein Leben hing von ihr ab. Sie musste weiter.
    Wie auf Kommando entzündete sich ein Feuer am Aypayat. Reflexartig duckte sich Aruula hinter einen Pfahl und zog Chaang mit sich. Im nächsten Moment ärgerte

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