1764 - Die Killerin
weiter auf, betrat den Raum – und wurde gesehen...
***
War er das? War er das nicht?
Wir wussten es nicht, aber es war davon auszugehen, dass wir den Mentalisten gefunden hatten. Er hockte in einem Sessel und bewegte sich nicht. Man hätte auch an eine Statue denken können. Sein Gesicht war bleich, ebenso die übrige Haut, was wir an seinen Händen sahen. Das Haar war schneeweiß. Es wuchs wirr auf seinem Kopf, stand auch an verschiedenen Stellen ab, und als wir in sein Gesicht schauten, da hatten wir beide den Eindruck, einen Toten vor uns zu haben.
»Lebt er, John?«
»Das weiß ich nicht.«
Es stimmte, denn Douglas Curtain hatte mit nichts zu erkennen gegeben, dass Leben in ihm steckte. Er saß im Sessel, hatte seine Hände auf die Oberschenkel gelegt und tat nichts.
Wir konzentrierten uns auf sein Gesicht. Die Augen waren geschlossen. Ja, die Augen und nicht nur eines. Das war für uns ein wenig enttäuschend.
Niemand sprach. Wir wussten nicht, ob der Typ uns überhaupt registriert hatte. Dass das der Mentalist war, der Säle füllte, konnte ich nicht glauben.
Ich ging auf ihn zu. Mein Kreuz gab keine Warnung ab, aber ich ging davon aus, es mit jemandem zu tun zu haben, der uns schon gefährlich werden konnte, auch wenn es nicht so aussah.
»Was meinst du, Suko?«
Mein Freund verzog die Lippen. »Vielleicht sollten wir es mal mit Kitzeln versuchen.«
»Ja, aber nur dann, wenn alle Stricke reißen.«
»Was ist mit den Augen?« Suko schob sich näher.
»Geschlossen.«
»Okay. Und hörst du ihn atmen?«
Das war eine gute Frage. Jetzt konzentrierte ich mich darauf. Der Mund war nicht geschlossen. Einen dünnen Spaltbreit stand er offen. Aber ich hörte nichts.
»Ich weiß es nicht, Suko, ob da noch Leben ist. Oder ein besonderes und auch...«
»Vorsicht!«, warnte er mich.
Das hätte er nicht gebraucht. Ich sah auch so, was passierte, denn jetzt öffnete der Mentalist die Augen. Das ging recht langsam vonstatten. Er schien sich erst darauf konzentrieren zu müssen, und dann war es so weit.
Ich schaute in seine Augen!
Nein, das nicht. Es gab keine Augen. Es gab nur das eine Auge, und das war ohne Verbindung zum Körper. Es stand über dem Kopf des Mannes, während seine normalen Augen nicht mehr vorhanden waren.
Da wo sie eigentlich hätten sein müssen, sah ich nur die Haut, als wären die beiden Augen aus den Höhlen gesprungen, um sich zu dem einen zu vereinigen, das über seinem Kopf schwebte.
»Einer sieht alles!«, flüsterte Suko. »Hier haben wir unseren Freund.«
»Genau.«
Suko holte seine Beretta hervor. Er zielte auf das Auge. Ich hielt mich zurück, denn ich wollte sehen, wie es reagierte. Ob es dazu überhaupt in der Lage war.
Der Blick war da.
Und scharf.
Er traf mich und auch Suko, denn ich sah, dass mein Freund den Kopf schüttelte und dann zur Seite schaute.
Genau in diesem Augenblick bewegte sich etwas in den Augenhöhlen. Es zuckte dort, wo die Augen hätten sein müssen – und da waren sie auch. Alles war so schnell abgelaufen, dass wir es kaum registrierten, aber es war eine Tatsache, dass es jetzt drei Augen gab.
Zwei im Gesicht und ein Auge, das über dem Kopf schwebte. Wir konnten uns aussuchen, auf welches Auge wir uns konzentrieren sollten. Waren die beiden normal? Das war die Frage. Ich konzentrierte mich darauf und hatte den Eindruck, etwas Künstliches zu sehen, Augen ohne Leben, aber Bösartigkeit ausstrahlend.
Und das dritte Auge!
Ich dachte an die Psychonauten. Es war eine uralte Rasse, die noch das dritte Auge besaß, durch das die Menschen sehen konnten. Allerdings hinein in andere Sphären oder Welten. Ob das bei diesem Auge auch der Fall war, wusste ich nicht. Es war alles möglich, und doch wollte ich nicht daran glauben. Ich kannte die Psychonauten als positive Menschen, und das war bei dieser Gestalt vor uns nicht der Fall.
Ich hörte Suko leise stöhnen und drehte mich um. Er hielt den Kopf gesenkt, um keinen Blickkontakt mehr mit den Augen des Mentalisten zu haben.
Ich kümmerte mich nicht um die Augen, dafür um Suko. »He, was hast du?«
»Er ist gefährlich.«
»Und wie zeigt sich das?«
»Er kann dich übernehmen.«
»Wer oder was?«
Suko schaute noch immer zur Seite. »Ich habe keine Ahnung, John. Aber es ist da. Eine andere Magie. Ich bin nicht in der Lage, sie zu stoppen.«
»Okay, dann versuche ich es.«
Suko musste der Szene den Rücken zudrehen. Ich stellte mich ihr und sah, dass sich nichts verändert hatte. Douglas
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