1764 - Die Killerin
Mein Kreuz hing auch weiterhin vor meiner Brust.
Es strahlte, es glänzte, aber ich hatte es noch nicht aktiviert. Es hatte sich von selbst gegen das Böse gestemmt, und ich glaubte nicht, dass dieser Mentalist noch einmal seine volle Kraft zurückerhalten würde.
Mein Blick blieb an den Augenhöhlen hängen. Ich schaute in sie hinein und sah ganz am Ende noch etwas zucken.
Curtain blieb weiterhin starr sitzen. Ich fragte mich, ob er noch ein Mensch war oder nur eine Marionette, die von der Kraft des Teufels verlassen worden war.
Er schien mich aus leeren Augenhöhlen anzuglotzen. Noch immer lag der Schatten des Kreuzes auf seiner Gestalt. Ich hörte auch jetzt keinen Laut. Kein Atemzug war zu hören, kein Wort drang über Curtains Lippen, nicht mal ein Stöhnen.
Ich fasste ihn an der Schulter an. Da öffnete sich der Mund, als hätte ich am Kinn gezogen. Die Gestalt kippte zur Seite. Bevor sie von Stuhl rutschen konnte, hielt ich sie fest.
Dann fühlte ich nach einem Herzschlag.
Er war nicht mehr vorhanden.
Das Gleiche erlebte ich bei der Kontrolle des Pulses. Auch hier war nichts zu spüren.
»Du kannst dir die Mühe sparen, John, er lebt nicht mehr. Dein Kreuz war zu stark.«
Suko hatte die Worte gesprochen. Er war wieder da und hatte sich aus seiner Deckung getraut.
»Wenn du das sagst, glaube ich dir«, sagte ich und lächelte ihn dabei an.
»Aber wer war er?«
»Ein Vermittler.«
»Zwischen welchen Parteien?«
Ich winkte ab. »Ich glaube nicht, dass wir da groß von Parteien sprechen können. Er war ein Phänomen der Hölle. Fertig. Das müssen wir so hinnehmen. Denk daran, dass sich der Teufel immer wieder etwas Neues einfallen lässt. Das hat er auch hier getan. Die Auftritte als Mentalist haben beeindruckt, und ich hoffe, dass es ihm nicht gelungen ist, weitere Menschen zu Dienern der Hölle zu machen.«
»Das glaube ich nicht. Er hat sie vielleicht nur vorbereitet, um sie dann in die Nähe der Killerin kommen zu lassen. Sie hat den Menschen dann den Rest gegeben. Sie gehört zu dem Dreieck.«
Suko kniff die Augen zu. »Dreieck?«
»Ja, denn du darfst das Auge nicht vergessen. Ich glaube nicht, dass es ebenfalls zerstört wurde, weil Curtain starb.«
»Das kann sein.« Sukos Blick wurde stechend, als er sich umdrehte wie jemand, der etwas suchte.
»Und?«
»Ich habe das Auge nicht mehr gesehen, John, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es für immer verschwunden ist. Und es ist mächtig. Ich habe mich nicht umsonst abgewandt, denn ich hatte Probleme mit dem Blick. Da hat der Teufel schon etwas geschaffen, gegen das kaum jemand ankommt.«
»Aber du hast nicht gesehen, wohin das Auge verschwunden ist?«
»So ist es.«
Ich runzelte die Stirn und schaute zum Fenster hin. »Kann sein, dass wir hier warten sollten. Außerdem wäre es nicht schlecht, Kontakt mit Jane Collins aufzunehmen. Noch sehe ich uns nicht als die großen Sieger.«
»Stimmt.«
»Wie kommst du darauf?«
Suko gab die Antwort mit einer leicht zittrigen Stimme. »Weil ich das schreckliche Auge wieder sehe...«
***
Wenn es ihr Auftritt in einem Theaterstück gewesen wäre, wäre Jane Collins sicherlich mit Beifall überhäuft worden, so aber klatschte keiner, denn dieser Auftritt sorgte für Entsetzen bei den Schülern und dem Lehrer.
Er sagte nichts.
Jane kam näher.
Die Leiche auf ihrer linken Schulter wurde immer schwerer. Die Arme schwangen hin und her.
Dann meldete sich eine Stimme. »O Gott, das ist ja Mrs Peters! Nein, das gibt es nicht!«
»Und sie ist tot, glaube ich«, sagte ein anderer Schüler.
Jetzt bewegte sich auch der Lehrer. Er war blass geworden. Er starrte Jane an, die nicht mehr weiterging. Für die Killerin hatte niemand einen Blick.
Der Lehrer straffte sich. Er musste sich zusammenreißen, um die schlichte Frage zu stellen: »Stimmt das, was da gesagt wurde?«
»Leider.«
»Dann – dann – ist Gina tot?«
Jane nickte. Die Leiche wurde ihr wirklich zu schwer. Sie ließ den Körper von der Schulter gleiten und legte sie auf einen Tisch.
»Haben Sie die Frau getötet?«
»Nein!«
»Das war ich!«, erklärte Olga und lachte. Sie hatte sich bisher im Hintergrund gehalten. Jetzt war sie für jeden zu sehen und genoss ihren Triumph.
Keiner achtete mehr auf Jane Collins. Ab jetzt starrten alle nur noch die Frau mit der Waffe an. Ein Junge sprach davon, einen Schuss gehört zu haben. Ein anderer holte sein Handy hervor, um dadurch Hilfe zu holen.
Jane wollte nicht, dass der Junge
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