1765 - Der Schattenprinz
war in Mitleidenschaft gezogen worden. Ich sah die breiten Pflaster, aber auch die getrockneten Blutreste auf der Haut.
»Die kamen in das Kloster und nahmen ihre Messer. Und dann haben sie das Blut von mir und meinen anderen Schwestern getrunken. Aber es waren keine Vampire, sondern Menschen, die ganz normal aussahen.«
»Ja, ich weiß. Es sind Halbvampire.«
»Ja, so ähnlich.«
»Sind sie noch hier?«, fragte ich.
»Ja. Sie fühlen sich hier wohl, hat man mir gesagt. Wir sind ihre Nahrung. Sie brauchen uns für eine Weile.«
»Sind auch Frauen dabei?«
Julia musste nicht lange nachdenken. »Ich habe nur Männer gesehen. Es kann sein, dass eine Frau...«
Ich unterbrach sie. »Eine mit sehr blonden Haaren haben Sie nicht gesehen?«
»So ist es.«
»Gut, Julia. Aber ich muss Ihnen noch eines sagen. Halten Sie sich von Ihren Besuchern fern.«
»Das sagen Sie so leicht.«
»Sie sollten es wenigstens versuchen.«
»Und was machen Sie?«
»Ich werde nach ihnen suchen.«
»Und dann?«
»Muss ich sie vernichten.« Ich schnitt ein anderes Thema an. »Warum sind sie überhaupt gekommen?«
Julia senkte den Kopf. »Es kann sein, dass sie gelockt wurden. Ich weiß es nicht genau. Es kann auch mit unserer Vergangenheit zu tun haben, dass sie sich gerade dieses Kloster ausgesucht haben.« Sie nickte Dahlia entgegen. »Sie ist über zweihundert Jahre alt. Sie konnte nicht sterben. Oder sie sollte nicht sterben. Das muss für sie etwas ganz Besonderes gewesen sein.«
Ja, da konnte sie recht haben. Die Halbvampire suchten immer nach besonderen Orten, die sie in Beschlag nehmen konnten. Mir lag die nächste Frage auf der Zunge, die ich dann auch aussprach. »Wo kann ich sie finden?«
Julia hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Sie haben sich im Haus verteilt, denke ich. Also schauen Sie in den Zimmern nach. Ich weiß auch nicht, ob wir Schwestern noch alle leben.«
»Wie viele seid ihr denn?«
»Fünf und ich.«
»Ich denke, dass sie zunächst mal euer Blut brauchen.« Mein Blick traf Dahlia. »Es ist am besten, wenn du dich hier bei Julia in der Nähe aufhältst. Ich denke, dass es hier auch Verstecke gibt. Oder sehe ich das falsch?«
»Man wird uns immer finden. Und sie werden auf Dahlia scharf sein, denn sie ist kein richtiger Vampir und hat über zweihundert Jahre gelebt. Das muss sie einfach interessieren.«
Dahlia sagte zunächst nichts. Sie ließ sich die Worte erst durch den Kopf gehen, um danach zuzustimmen.
Ich musste mich auf die Suche machen und die beiden allein lassen. Von Bill hatte ich noch nichts gehört, aber das würde sicher noch kommen.
»Ich werde mich hier umschauen«, sagte ich.
»Gut.«
»Gibt es einen Keller?«
»Ja.« Diesmal sprach Dahlia. »Ich habe dort die meiste Zeit verbracht. Man wollte nicht, dass man mich fand, und das Geheimnis wurde nur immer sehr behutsam weiter gegeben.«
»Verstehe, aber jetzt willst du nicht mehr in den Keller?«
»Nein.« Die Antwort glich fast einem Stöhnen. »Das ist eine Falle. Ganz bestimmt ist er da.«
Wie und was sie auch dachte, traf alles zu. Ich wusste, dass die Stille nur Tünche war. Wenn die Halbvampire sich hier aufhielten, dann bereiteten sie ihren nächsten Coup vor. Hier waren sie sicher, dachten sie.
Aber nicht vor mir. Auch wenn sie aussahen wie normale Menschen, es waren keine. Man musste sie aus dem Verkehr ziehen, das hatte mich die Zeit gelehrt.
Ich wartete noch, bis die beiden Frauen hinter einer Tür verschwunden waren, und machte mich danach auf den Weg, um mir die Halbvampire vorzunehmen.
Ich schritt durch ein Halbdunkel und gelangte in eine Halle, wo in der Mitte eine breite Steintreppe in die oberen Bereiche führte.
Ich wollte nachschauen, aber ich wollte auch erst mal in diesem Bereich bleiben, denn nicht weit von mir entfernt entdeckte ich einen Wandschrank, der zwei Schiebetüren hatte.
Das erregte wieder meine Neugierde.
Ich kümmerte mich um die erste Schiebetür, zerrte daran und nickte zufrieden, dass sie auf der Schiene zur Seite rollte und einen Blick in den Schrank freigab.
Alles harmlos. Die Nonnen hatten sich hier einen Schrank für Kleidung einbauen lassen.
Mir schlug ein muffiger Geruch entgegen, aber auch einer nach Mottenpulver oder so ähnlich.
Auch harmlos.
Bis ich meinen Blick senkte und etwas sah, was auf keinen Fall harmlos war.
Es lag auf dem Schrankboden, und es war hell. Eine menschliche Hand, deren Finger gespreizt waren...
***
Der Anblick traf mich zwar nicht wie eine
Weitere Kostenlose Bücher