1765 - Der Schattenprinz
wo seine Begleiterin saß, die sogar lächeln konnte und sich offenbar auf ihre Rückkehr ins Kloster freute.
Wir waren gut durchgekommen, brauchten nicht auf Glatteis zu achten, denn der Frost war vorbei, und die Landschaft, durch die wir fuhren, roch nach Frühling.
Felder, die noch leer waren, kleine Dörfer, hier und da ein Kirchturm und viel braune Wintererde. Keine Autobahn, aber gut ausgebaute Landstraßen, zumindest bis Uckfield, einem der größeren Orte oder einer kleinen Stadt.
Und hier in der Nähe musste das Kloster sein.
Da sich unsere Mitfahrerin auskennen musste, stieß Bill Conolly sie an.
»Wohin müssen wir fahren?«
Dahlia hatte die Frage gehört, dachte aber nicht daran, eine Antwort zu geben. Sie senkte den Blick und schwieg, was Bill nicht passte, denn er herrschte sie an.
»Rede endlich!«
Auch ich wollte wissen, wo sich das Kloster befand. Ich gab ihr sogar Zeit, nachzudenken und etwas zu sagen, denn ich fuhr an den Straßenrand und hielt an.
Sekunden später donnerte ein LKW vorbei. Dann wurde es wieder still, und wir warteten noch immer auf eine Erklärung, denn ein Hinweisschild auf das Kloster gab es nicht.
»Ich will nicht mehr dorthin.«
»Warum nicht?«
»Es ist überfallen worden!«
Das war uns neu. Dahlia hatte es mit leiser Stimme gesagt, und wir fragten uns, ob das stimmte. Ich konnte mir nur schlecht vorstellen, wer hier ein Kloster überfiel. Das hatte es nur in den alten vergangenen Zeiten gegeben.
»Überfallen?«, fragte ich.
»Ja, ich lüge nicht.«
»Von wem?«
Sie gab eine Antwort. Nur hatte die mit meiner Frage nichts zu tun.
»Die Schwester hat es auch gewusst. Man hat mich bewusst aus dem Kloster geschafft. Man wollte wohl nicht, dass man mich findet.«
»Wer hat das Kloster denn überfallen?«, hakte ich nach.
»Keine Ahnung«, flüsterte sie und starrte dabei ins Leere. »Ich kenne sie nicht. Aber es waren Menschen, das weiß ich.«
»Hast du etwas über die Gründe erfahren?«
Sie schaute mich an. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nichts Genaues.«
»Gibt es denn etwas Ungenaues?«
»Man nimmt etwas an.«
»Super. Und was?«
»Da sind welche gekommen, die haben so etwas wie eine Heimat gesucht. Genau das muss es gewesen sein.«
»Oder ein Versteck?«, fragte Bill.
»Kann auch sein.«
Der Reporter fragte weiter: »Jetzt wäre es natürlich super, wenn du uns sagen könntest, wie sie ausgesehen haben.« Bill starrte Dahlia an. »Du hast sie doch gesehen, oder?«
»Nein, habe ich nicht. Man hat mich vorher weggeschafft. Den Grund kenne ich nicht. Ich kann mir aber denken, dass man mich nicht entdecken sollte.«
»Das stimmt wohl«, gab ich zu.
Bill schaute mich an. Er hatte wohl keine Fragen mehr, die Dahlia betrafen. Deshalb wandte er sich an mich.
»Wer kann dieses Kloster wohl überfallen haben? Kannst du dir so was vorstellen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Und dann gibt es da noch die Nonnen«, sagte Bill.
»Stimmt auch wieder...«
Wir schwiegen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Zumindest meine waren nicht eben fröhlich. Ich wusste ja nicht, wie groß die Anzahl der Nonnen war. Normalerweise wurden es in den Klöstern immer weniger, und es waren schon viele Klöster in der letzten Zeit geschlossen worden.
»Weißt du die Anzahl der Nonnen?«
Dahlia hob ihren Kopf. »Es sind nicht viele gewesen. Sie waren schon alt. Nicht so alt wie ich, aber alt. Und ich glaube daran, dass es auch den Schattenprinzen gibt, so wie es mich gibt, verstehst du?«
»Klar.«
Bill und ich waren leicht verunsichert. Wir sprachen leise miteinander und es stellte sich schnell heraus, dass wir beiden dem gleichen Gedanken nachgingen.
Das Kloster war übernommen worden, wobei wir raten konnten, wer das getan hatte.
Bill sagte: »Wundere dich nicht, wenn plötzlich alte Bekannte auftauchen. Ich denke da an die Halbvampire. Suchen sie nicht eine Heimat? Einen Unterschlupf, wo man sie nicht so leicht findet? Irgendwo müssen sie ja bleiben.«
»Klar, wie auch die Cavallo.«
»Du hast recht, John. Ich würde mich nicht wundern, wenn wir deine Freundin Justine Cavallo in diesem Kloster finden, das sie sich als einen neuen Stützpunkt ausgesucht hat.«
Ich nickte. Auch ich konnte mir vorstellen, dass das Pendel in diese Richtung ausgeschlagen hatte. Durch das Trinken des falschen Bluts war die blonde Bestie noch immer geschwächt. Sie brauchte einen Ort, an dem sie sicher war, und diese Sicherheit konnte ihr ein Kloster bieten.
Egal, was auch passierte, es
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