1767 - Teufelsmädchen
brauchte, denn ich wusste genau, was ich zu tun hatte. Der Trainingsanzug lag bereit. Ich schlüpfte hinein und zog den Reißverschluss vor meiner Brust hoch, damit niemand das Kreuz sah, das ich mir um den Hals gehängt hatte.
Ich hätte auch die Beretta mitnehmen können, aber das hätte nur Aufsehen erregt. Außerdem war sie im Trainingsanzug nur schwer zu verstauen. Es gab keine Tasche, die ihr Gewicht gehalten hätte, einen Gürtel auch nicht, und so ließ ich es bleiben. Es musste auch ohne Pistole gehen.
Ich hatte mir vorgenommen, einige Sätze mit Gina zu wechseln, ich wollte mehr über Lilo erfahren, denn für mich war sie die treibende Kraft.
Bevor ich das Zimmer verließ, warf ich einen Blick aus dem Fenster in den Park und sah ihn im Licht der Vormittagssonne liegen. Es war in der Tat ein herrliches Wetter, bei dem man einfach draußen bleiben musste.
Ich stutzte, als ich die Menschen sah, die sich unten aufhielten und die Sonne genossen. Unter ihnen befand sich auch Gina. Ob sie tatsächlich die Sonne genoss oder einfach nur nach draußen gegangen war, um etwas anderes zu sehen, das wusste ich nicht.
Jedenfalls war sie da und sie saß auf einer Bank, die nicht weit von einem Baum entfernt stand, der Schatten spendete, wenn er voll belaubt war. In diesem Fall fehlten die Blätter, aber etwas Schatten spendete er schon.
Gina war also draußen. Sie hatte es im Zimmer nicht ausgehalten. Das war verständlich. Jetzt saß sie auf der Bank und sah aus wie jemand, der auf etwas wartet.
Ich wusste nicht, ob ich damit recht hatte. Es war alles möglich in diesem Spiel, dessen Regeln ich leider nicht kannte.
Egal, ich wollte nicht länger hier im Zimmer bleiben. Es war wichtig, mit Gina ins Gespräch zu kommen. Ich wollte sie auf jeden Fall retten. Noch ein paar Bisse, noch mal einen größeren Blutverlust, und sie würde zu einer anderen werden.
Ich verließ mein Zimmer und ging nach unten. Dabei hoffte ich, von Gina die Wahrheit zu erfahren...
***
Die Luft war herrlich. So lau, so von den Strahlen der Sonne aufgewärmt, und sie steckte voller Düfte. Da möchte man schon die doppelte Anzahl von Nasenlöchern haben, um sie einzuatmen.
Wer eben konnte, der hatte sein Zimmer verlassen und war nach draußen gegangen. Ich sah auch einige Rollstuhlfahrer unter den Patienten. Andere saßen in der Sonne oder spazierten durch die wunderschöne Helligkeit. Ich ärgerte mich nur darüber, dass ich meine Sonnenbrille nicht bei mir hatte, und drehte beim Gehen den Kopf entsprechend zur Seite, um nicht geblendet zu werden.
Ich passierte zwei alte Eichen, dann umrundete ich einen kleinen Teich und gelangte zu der Bank, auf der Gina saß. Sie stand nahe einer Birke, die bereits ihre Pollen auf die Reise geschickt hatte.
Irgendwo lachte jemand laut. Dann bellte ein Hund, aber es waren Laute, die Gina nicht zu stören schienen. Sie saß da und präsentierte ihren Körper der Sonne. Die Schultern lagen frei, die Arme waren es auch und als Oberteil trug sie eine Art schwarzes Korsett. Die schwarze Hose passte dazu, und sie hatte auch eine Jacke gegen die Kühle mitgenommen, falls sich Wolken vor die Sonne schieben würden.
Ich blieb vor ihr stehen. Gina sah mich nicht.
Ich räusperte mich und bekam nun mit, dass sie die Augen aufschlug.
»Hi«, sagte ich.
Gina verzog die Lippen. Sie erinnerte sich an mich, denn sie sagte: »Sie schon wieder.«
»Ja, ich.«
»Und?«
»Darf ich mich setzen?«
Sie rückte ein wenig zur Seite. »Bitte, ich habe nichts dagegen. Ist aber auf eigene Gefahr.«
»Wie das?«
»Nur so.«
Ich nahm Platz und saß kaum, da stellte ich schon die erste Frage. »Was machen die Wunden?«
»Es gibt sie noch.«
»Das habe ich auch nicht anders vermutet. Nur – was haben Sie den Ärzten gesagt?«
Gina stöhnte leicht auf. »Sie waren schon erstaunt, ich habe ihnen gesagt, dass ich mir die Wunden selbst zugefügt habe.«
»Und?«
»Ich habe einen Termin beim Lebensberater bekommen, wie sie es sagten.«
»Wann denn?«
»Heute noch. Am Nachmittag.«
»Toll. Gehen Sie hin?«
Gina hielt die Augen geschlossen, hob aber jetzt die Schultern an. »Ich weiß es noch nicht. Muss ich mir noch mal durch den Kopf gehen lassen.«
»Und jetzt sind Sie hier.«
»Ja.« Sie fing an zu lachen und sagte dann: »Es ist doch toll, hier in der Sonne zu sitzen – oder?«
»Stimmt. Deshalb bin ich auch draußen.«
»Nein, das stimmt nicht.« Sie drehte den Kopf so, dass sie mich anschauen konnte. Sie
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