177 - Im Reich der Hydriten
aus gutem Grund von der Evakuierung unserer sterbenden Welt ausschlossen. Er selbst nannte sich einst »Martok’aros«. Viele Umläufe nach der Großen Weltenwanderung schlich er sich in das Tunnelfeld und gelangte unbemerkt hierher zu uns nach Ork’huz. Uralt muss er sein, wenn er überhaupt noch lebt. Und wenn er nicht mehr lebt, so leben doch seine Lehre, sein Vorbild und seine grauenhaften Taten.
Seine Lehre: Der Stärkere hat jedes Recht auf seiner Seite und tut jederzeit, was er sich vorgenommen hat.
Sein Vorbild: Niemals verzieh er einen Fehltritt, niemals machte er Gefangene, niemals wich er einem Kampf aus, niemals schonte er den Schwachen. Seine Taten: Er fraß das Fleisch seiner Gegner, er knechtete Junghydree und ihre Mütter, er beherrschte die Ungeheuer der Tiefsee, er stachelte die Städte der Hydree gegeneinander auf.
Und nun gebt Acht, meine Brüder: Nicht mehr lange, und er oder seine Nachfolger werden alle Städtebünde, Städte, Sippen und Forschungsgruppen der Hydree unter ihrer Knute vereinigt haben. Und worauf wird ihr Hass und ihr unstillbarer Durst nach Blut sich dann richten? Ihr wisst es bereits, meine Brüder – auf uns, die friedlichen Nachfolger Gilam’eshs, des Großen Weltenwanderers. Darum wollen wir uns zurückziehen in unsere geheime Stadt, wo wir die Worte Gilam’eshs studieren und lehren; darum wollen wir das Wissen der Vorväter horten und pflegen und im Verborgenen abwarten, bis Gewalt und Blutdurst sich ausgetobt haben und die Zeit für eine neue, friedliche Generation der Hydree anbricht.
Was nun mich betrifft, den Zweiten Ramyd’sam, den Verfasser dieser Zeilen, so fühle ich das Ende meines Körpers nahen. Und so werde ich meinen Platz einem jüngeren und stärkeren Ramyd’sam räumen, und mich auf den Austritt meines Geistes aus diesem alten Körper konzentrieren. Mag sein, die Schöpfer blicken vergnügt auf mich und gewähren mir, was sie auch dem Ersten Ramyd’sam gewährten: Die erfolgreiche Geistwanderung in einen neu geschaffenen, unverbrauchten Leib.
***
Beim Aufschlag auf das Wasser war Clarice mit einem der vier Proviant- und Ausrüstungskanister zusammengestoßen. Sie hatte das Bewusstsein verloren, und an ihrem Hinterkopf war der flexible Helm des Schutzanzuges eingedrückt. Darunter klaffte eine stark blutende Wunde.
Drax zerrte sie in das Schlauchboot und legte sie auf die Seite. Falls sie erbrechen sollte, war sie auf diese Weise davor geschützt, daran zu ersticken. Anschließend hievte er die Container an Bord, die Vogler ihm anreichte. Schließlich half er dem Waldmann ins Boot hinein.
Sie kramten die Erste-Hilfe-Box aus einem der Container und versorgten zunächst einmal die Kopfwunde ihrer Gefährtin. Hier auf dem offenen Meer konnten sie es wagen, Clarice den Helm abzunehmen; die Infektionsgefahr war gleich Null. Während Drax ihr ein Kreislauf stabilisierendes Mittel spritzte, richtete Vogler den Sonnenschutz über dem Schlauchboot auf.
Die für ihn hohe Schwerkraft ließ den Waldmann bald keuchen.
Er öffnete seinen Helm und klappte ihn zurück in den Nacken. »Und jetzt?« Vogler blickte von Horizont zu Horizont. »Wasser, wohin man sieht.« Er war nervös, Matt hörte es an seiner heiseren Stimme, und er sah es an seinen pulsierenden Kaumuskeln. »Wie willst du dich hier orientieren?«
Matt Drax, selbst nicht gerade entspannt, zwang sich zu einem Lächeln. »Man reist nicht jeden Tag durch einen Raumzeittunnel auf einen anderen Planeten, was?«
Er legte seine Rechte auf die Schulter des anderen.
Mochte sein Begleiter auch ein Mensch sein, so war er doch in den Wäldern des Mars geboren und aufgewachsen. Die Erde war ein fremder Ort für ihn.
»Keine Sorge, mein Freund«, sagte Matt. »Ich werde unsere Nussschale schon in die Nähe einer Hydritenstadt manövrieren.« Er holte einen Kompass aus einer der Beintaschen. »Bis zu einer ungefähren Standortbestimmung müssen wir allerdings warten, bis es Nacht wird.« Er blickte in den Himmel. »Dafür, dass hier vor dreizehn Monaten etliche hundert Atombomben explodiert sind, ist der Himmel ziemlich blau. Die Chancen, ein paar Sterne zu sehen, stehen gar nicht so schlecht.«
Während der Waldmann sich um die langsam aus der Bewusstlosigkeit erwachende Clarice kümmerte, holte der ehemalige US-Pilot einen akustischen Impulsgeber aus dem Gepäck. Das kinderkopfgroße Gerät erzeugte hochfrequente Töne, die unter Wasser von empfindlichen Gehörnerven, wie die Hydriten sie besaßen,
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