1770 - Blutfalle
wollte mehr wissen, aber sie kam nicht dazu, eine Frage zu stellen, denn sie hörte das Geräusch von Schritten. Da trat jemand bewusst härter auf.
Es kam jemand. Er löste sich von dort, wohin kein Lichtschein drang. Aber dieser Jemand bewegte sich dorthin, wo es heller war, und so konnte Cindy die Gestalt sehen.
Es war die Frau, mit der sie gesprochen hatte, und nun sah sie die Person zum ersten Mal. Cindy hatte sich keine Vorstellung von ihr gemacht, aber jetzt weiteten sich ihre Augen, denn mit diesem Anblick hatte sie nicht gerechnet.
Sie sah eine Frau mit sehr hellblonden Haaren, die alle Vorurteile einer Blondine in sich vereinte. Sie war durch das Leder provokant gekleidet, hatte dafür gesorgt, dass ihre Brüste in die Höhe gedrückt wurden, und bewegte sich lasziv, als wollte sie mit jedem Schritt eine andere Verführungspose einnehmen.
So kam sie auf die liegende Cindy Snider zu, die nur den Kopf schütteln konnte. Das aber ließ sie bleiben, denn sie wollte keine neuen Schmerzen provozieren.
Justine Cavallo wusste, wie sie auf Menschen wirkte, die sie zum ersten Mal sahen. Das war wie ein Hammerschlag oder ein Blitzeinschlag. Die Menschen fassten es nicht, so eine Frau zu sehen, denn solche Personen kannten sie nur aus Filmen.
Neben dem Bett blieb die Cavallo stehen. Sie senkte den Blick und schaute Cindy genauer an. Nach einer Weile nickte sie und sagte mit leiser Stimme: »Dein Blut wird mir schmecken, Süße...«
Cindy wollte einen solchen Satz nicht akzeptieren. Das war Wahnsinn, so etwas gehörte in ein Drehbuch, aber nicht in die Realität. Allerdings wollte sie auch nicht glauben, dass sie einer Verrückten in die Hände gefallen war. Die Frau hier war nicht verrückt, die wusste genau, was sie tat, und war mit dem nötigen Ernst bei der Sache.
Noch mal riss sich Cindy zusammen und fragte mit heiser klingender Stimme: »Was soll der Quatsch?«
Justine Cavallo schüttelte den Kopf. »Das ist kein Quatsch. Du solltest es allmählich begreifen, denn keiner von uns ist hier, um Quatsch zu machen.«
Cindy sagte jetzt nichts. Allmählich wurde ihr klar, dass sie in einer verfluchten Lage steckte, aus der sie allein nicht mehr herauskam. Der Typ aus der Disco und die Blondine arbeiteten zusammen. Er war es, der ihr die Frauen brachte, weil er selbst mit ihnen nichts am Hut hatte und wahrscheinlich schwul war.
Ein Spaß sah anders aus, und auch das Grinsen im Gesicht der Blondine war keine Folge eines Spaßes, es war so kalt und abgebrüht. Zugleich auch wissend.
Und ich bin schwach!, hämmerte sich Cindy ein. Einfach zu schwach, um von hier fliehen zu können. Die beiden haben sich schon gut abgestimmt. Alles ist perfekt gewesen, und ich stecke in der Klemme.
Die Cavallo veränderte ihr Grinsen. Jetzt lächelte sie. Und es war ein bestimmtes Lächeln, das auch einen besonderen Zweck erfüllte, denn sie schob ihre Lippen auseinander und dabei die obere in die Höhe.
Es war nicht strahlend hell, aber das Licht reichte aus, um das gesamte Gesicht der Blonden erkennen zu können. Da blieb nichts verborgen, auch die beiden Zähne nicht, die von oben nach unten wuchsen und sehr deutlich zu sehen waren.
Spitze Zähne...
Cindy Snider dachte zuerst an nichts, weil der Schock sie starr gemacht hatte. Dann setzten sich die Gedanken fort, und sie kam zu einem Schluss, an den sie selbst nicht glauben konnte oder wollte. Was aber nicht wegzudiskutieren war, denn es gab die beiden Zähne.
Spitze Zähne. Vampire waren mit ihnen ausgestattet. Und Vampire lechzten nach Menschenblut.
Auch die Blonde hatte davon gesprochen. Jetzt präsentierte sie ihre Zähne. Sie war fertig für den Biss.
Cindy konnte es trotzdem nicht glauben. Das ging ihr einfach gegen den Strich. Das musste alles künstlich sein. Vampire gab es nicht, Menschen hatten sie erfunden, um sich gegenseitig Angst zu machen. Und dann waren die Filmleute auf diesen Zug aufgesprungen.
In zahlreichen Streifen hatten sie die Menschen geschockt, aber das hatte mit der Wirklichkeit nichts zu tun, die sie hier erlebte.
Sie hörte sich selbst zu, wie sie den Atem einsaugte. »Bitte, was – was soll das?«
»Ich will dein Blut.«
Cindy lachte. Sie konnte nicht anders. Sie wollte auch etwas sagen, aber da schaute sie in das Gesicht der anderen, und plötzlich blieben ihr die Worte im Hals stecken.
Das war doch kein Scherz. Das war echt. Diese Person wollte tatsächlich ihr Blut.
Der Stoß traf sie plötzlich. Sie konnte ihn nicht ausgleichen
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