1771 - Der Tempel der Mondgoettin
erste Schritt ist der wichtigste. Er schafft die Voraussetzungen für alle weiteren Schritte. Deshalb erwarte ich, daß Coram-Till, Capra, Assyn-Stey und ich mit dem gebührenden Respekt empfangen werden und daß wir Verhandlungen aufnehmen, bei denen alle Parteien ernsthaft versuchen, zu einer Einigung zu kommen. Wenn wir uns streiten, sind die Hamamesch die einzigen, die einen Vorteil davon haben."
Der Oberpriester war still geworden. Er war sichtlich beeindruckt.
„Das ändert alles", versetzte er. „Ich muß euch jetzt um Verständnis dafür bitten, daß ich mit dem göttlichen Dan-Sandin sprechen muß. Daneben muß ich mich mit einigen anderen abstimmen.
Bitte, habt ein wenig Geduld. Ihr braucht nicht lange zu warten. Ich melde mich so schnell wieder, wie es mir die Umstände erlauben."
Er schaltete ab.
„Na also", sagte Michael Rhodan würdevoll und rückte seinen Dreispitz zurecht. „Seine subalterne Nichtigkeit geruht höflich zu sein. Damit ist der erste Schritt getan."
Er brauchte nicht zu erwähnen, welche Probleme Radan-Mech hatte. Sie wußten es alle. Er mußte nicht nur Dan-Sandin über das Angebot der Galaktiker informieren - falls es ihn noch gab -, sondern auch Ammor-Res, den hitzköpfigen Anführer der Corri-Crypers, Karan-Kan, den wetterwendischen Anführer der Eramor-Crypers, der sich stets der Seite zuschlug, von der er die meisten Vorteile erwartete, und Daron-Kaimon, den Anführer der Manglon-Crypers, den Nachfolger des getöteten Eser-Furron.
Er würde es nicht leicht haben, sich mit den anderen Anführern auseinanderzusetzen. Michael war jedoch sicher, daß sein Angebot die Wirkung nicht verfehlen würde.
*
Thorga-Thze erkannte schon bald, daß er zu sehr in der Menge der Pilger eingekeilt war, um sich frei bewegen zu können. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich mit den Massen treiben zu lassen.
Er war in den Tempel gegangen, weil Coram-Till nach Taklott kam und er das Terrain für ihn sondieren wollte. Alles in ihm sträubte sich gegen den Gedanken, daß er ein Werkzeug der Priester war und daß er Coram-Till verraten hatte, indem er gegen ihn arbeitete.
Ich müßte es doch wissen, wenn es so wäre! dachte er, während er inmitten einer Gruppe andächtig singender Pilger durch die dunklen und unheimlichen Räume des Tempels schritt.
Noch hatte er das Zentrum der Anlage, das Orakel der Na-Ethyn, nicht erreicht. Dorthin zog es ihn mit aller Macht, denn er hoffte, dort Aufschlüsse über sich, seine Persönlichkeit und seine Freiheit zu erhalten.
War er wirklich nicht mehr als eine Marionette der Priester? Wie würde das Orakel auf ihn wirken, wenn es so war?
Er stieg die ausgetretenen Stufen einer uralten Treppe hinauf, als der Zug der Pilger plötzlich stoppte. Ein Teil der Seitenwand glitt knirschend zur Seite. Dahinter wurde ein Raum sichtbar, der von so grellem Licht erhellt wurde, daß Thorga-Thze geblendet die Augen schloß.
Er glaubte, eine Stimme vernehmen zu können, die ihm befahl, den Raum zu betreten. Er gehorchte, obwohl er eigentlich nicht wollte. Seine Füße setzten sich voreinander und trugen ihn in den Raum hinein. Knirschend schloß sich die Wand hinter ihm, und das Licht erlosch. Er brauchte Minuten, bis er etwas erkennen konnte.
Eine massige Gestalt saß in einem aus Stein geschlagenen Sessel vor einer mit metallenen Buchstaben und Symbolen übersäten Wand, und als sich seine Augen allmählich an das schwache Licht gewöhnt hatten, erkannte er, daß sie nur ein Auge hatte. In der Höhle des anderen steckte ein Glasauge.
Es ist Radan-Mech! durchfuhr es ihn. Der grausamste und mächtigste von allen. Der Oberpriester!
Er gab keinen Pfifferling mehr für sein Leben, ging er doch davon aus, daß Radan-Mech vom Tod des Priesters wußte. Seine Hand stahl sich unter die Kleidung und legte sich um den winzigen Energiestrahler. Diese Waffe hatte er von Coram-Till erhalten, der sie wiederum von den Galaktikern hatte.
Der Oberpriester hob eine Hand. Es war eine mahnende Geste, mit der er ihn vor einer übereilten Reaktion abhalten wollte.
„Bewahr die Ruhe", befahl Radan-Mech und drehte den Kopf zur Seite, um ihn durchdringend anzustarren. „Über eine angemessene Strafe reden wir später."
„Strafe?" rief Thorga-Thze. „Wen willst du strafen? Mich? Warum? Bist du ein Kind, das den Stuhl schlägt, an dem es sich gestoßen hat?"
„Ich sagte, wir reden später über Strafe", fuhr ihn der Oberpriester an.
„Eine späte Strafe ist wie ein zu
Weitere Kostenlose Bücher